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Leistungssport passé

■ Der Hamburger Freizeitsportverein „Sportspaß“ verzeichnete 1993 Mitgliederzuwachs / Sport ohne Vereinsmeierei

Eine Alternative zur Vereinsmeierei. So ist zumindest das Selbstverständnis des Hamburger Klubs „Sportspaß“. Während bei den herkömmlichen Sportvereinen die Mitgliederzahlen stagnieren, hat es dieser Anbieter in den vergangenen 16 Jahren verstanden, sich fest auf dem Leibesübungenmarkt zu etablieren. 1993 konnte ein Mitgliederzuwachs von 1133 verzeichnet werden.

„Besonders Frauen und junge Erwachsene, die sich vom Leistungssport abwenden und andere Prioritäten setzen, laufen den alten Vereinen weg. Die Alternative zum Leistungssport fehlt oft im traditionellen Vereinssport“, resümiert die Hamburger Sportwissenschaftlerin Thekla Schust den Erfolg der FreizeitsportlerInnen. Von derzeit 7.500 Spaßsportlern sind 60 Prozent weiblich. Im normalen Vereinssport ist es genau anders herum. Dort sind die Männer mit 60 Prozent vertreten. Auch das Angebot ist auf eine andere Zielgruppe zugeschnitten: Von fernöstlichen Entspannungskursen (Shiatsu, Yoga) über Fitneßtraining und Gesundheitssport zum Afrikanischen Tanz bietet der Verein alles an, was neu auf dem Markt ist, wobei Tanzen einen Schwerpunkt bildet.

Für die Journalistin Claudia, 39, beruht die Attraktivität von „Sportspaß“ darin, daß sie anders als bei herkömmlichen Vereinen, nicht allzu viele Verpflichtungen eingehen muß, denen sie wegen ihres Berufes sowieso nicht nachkommen kann. Sie führt also als Vorteile dieser Sportinstitution neben den relativ geringen Mitgliederbeiträgen, die Flexibilität an, mit der sie jederzeit den Kurs wechseln oder auch einmal ein paar Wochen fernbleiben kann. „Entscheidend ist für mich, daß es hier möglich ist, ohne Leistungsdruck Sport zu treiben und vor allem, daß man sich nicht ins chromblitzende Schicki-Micki-Ambiente von Fitneßstudios begeben muß, wo doch zu sehr dem juvenilen Körperkult gefrönt wird“, gibt Claudia, die bei Sportspaß Gymnastikkurse belegt, als zusätzliche Motivation an.

Bei „Sportspaß“ ist Leistungssport ist tabu und „Vereinsmeierei“ verpönt. Ehrenamtliche Helfer gibt es nicht. „Wer gut ist, soll auch gut bezahlt werden“, erklärt Geschäftsführer Jürgen Hering das Credo des etwas anderen Vereins. Vielfach geben Sportstudenten zu Stundenlöhnen von 30 Mark die Anleitung.

„Das sind die Vereine, die kapiert haben, was Sache ist“, sagt Harald Pieper vom Deutschen Sportbund (DSB). Es sei ein Vorurteil, daß der Vereinssport durch die kommerziellen Anbieter kaputtgemacht werde. „Vor fünf Jahren läutete bei uns noch die Alarmglocke, inzwischen ist das Nebeneinander der Vereine und der rund 5.000 Fitneßstudios in Deutschland okay“, sagt Pieper, der sich über einen leichten Mitgliederzuwachs freuen kann.

Zuwachs haben aber vor allem die modernen Vereine mit breiten Freizeitangeboten, die immer mehr zum Auffangbecken für Unzufriedene geworden sind.

„Man muß immer dazulernen. Wenn kommerzielle Anbieter Lücken entdecken, dann müssen auch wir uns Gedanken machen“, meint Thomas Beyer, Vorsitzender des Hamburger Vereins Aktive Freizeit (VAF). Auch dieser junge Verein mit über tausend Mitgliedern verzeichnete 1993 ein Wachstum um 50 Prozent. Der VAF schwimmt ganz auf der Gesundheitswelle: Kurse, die auch im eigenen Schwimmbad und nagelneuen Fitneßstudio stattfinden, werden zum Teil von den Krankenkassen finanziert. Viele Neueinsteiger sind dabei, die Hälfte ist älter als 40 Jahre.

taz/dpa

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