: Vollrausch im Waschsalon
■ Wash & Stop: In Ostberlin haben Waschbuden noch Zulauf, im Westteil der Stadt stockt das Geschäft mit dreckiger Wäsche / Findige locken zum Vollwaschgang mit einer Bar
Waschsalons gleichen der Vorhölle: Stickige Luft, harte Holzbänke oder schäbige Plastikstühle, bekleckerte Getränkeautomaten. Grell ausgeleuchtete Orte im Großstadtdreck.
So freudlos muß es nicht zugehen, dachte sich Detlef Melcher in Friedrichshain, als er seinen Salon in der Revaler Straße vor knapp einem Jahr einrichtete. Flugs besorgte sich der frühere Gastronom neben einem Gewerbeschein auch noch eine Kneipenkonzession, gruppierte zehn Barhocker um eine Theke, ließ Spielautomat und Fernseher heranschaffen.
Wer will, kann sich im „Waschcafé Melcher“ das Warten auf saubere Unterhosen sogar mit ein paar kräftigen Zügen aus allerlei Hochprozentigem vertreiben. „Wir haben alles im Regal“, freut sich der Ostberliner. Über mangelnde Kundschaft kann er sich nicht beklagen: „Bei uns haben die Leute früher ihre Sachen in die Wäscherei getragen, aber seitdem dort die Preise kräftig anzogen, sind wir eine Alternative.“
Im Westteil der Stadt dagegen stockt das Geschäft mit der dreckigen Wäsche. Sylvia Klein betreibt seit acht Jahren einen Waschsalon in der Schöneberger Keithstraße. „Es kommen immer weniger Kunden“, erzählt sie. Auch vom gesellschaftlichen Trend der Singlehaushalte haben die Salons nicht profitieren können. Die Hersteller von Waschmaschinen reagierten schneller: Ihre Mini-Waschmaschinen sind heute gefragter denn je und ersetzen den Gang zum Waschsalon. Und die Wohnungsbaugesellschaften machen Kunden seßhaft, seitdem sie in Wohnblocks Münzwaschautomaten aufstellen ließen.
Das spüren auch die Ausstatter. Bei den originären Waschsalons sei derzeit noch im Osten ein Zuwachs zu verzeichnen, meint Bernd Schameitat, Geschäftsführer der Westberliner Firma Watroma. Wer heute einen eigenen Salon aufmachen will, muß kräftig in die Tasche greifen. Mindestens zehn Maschinen, fünf Trockner und zwei Mangeln sind anzuschaffen. Kosten: Zwischen 100.000 und 120.000 Mark.
Für Neuerungen ist das alte Gewerbe nur schwer zu begeistern. Nur zögerlich greifen die Betreiber zum Chipkartensystem. Noch ist die Steuerungstechnik – im Gegensatz zu Münzautomaten – in der Anschaffung teuer. Zudem müssen die Kunden tief in die Tasche greifen, bevor sie die Maschine vollstopfen können: Allein für die aufladbare Chipkarte müssen rund 30 Mark Kaution beim Betreiber hinterlegt werden. Im Gegensatz zu anderen Ländern sei dieses System in der Bundesrepublik „schwierig durchzusetzen“, erklärt Schameitat.
Trotz modernster Technik – der Besuch eines Waschsalons ist kein Schongang für die Umwelt. So verbraucht beispielsweise die neueste gewerbliche 6-Kilo-Waschmaschine WS 5426 AV von Miele in einem einstündigen Waschgang von 95 Grad rund 99 Liter, der Vorläufer schluckt sogar 150. Zum Vergleich: Ein Haushaltsgerät arbeitet in derselben Temperaturstufe mit 70 bis 80 Litern. Weil nicht nur der Betreiber auf seine Kosten kommen will, sondern auch des Kunden Nerven nicht überstrapaziert werden sollen, ist die Waschzeit in den Salons zeitlich so knapp wie möglich bemessen. Spezielle Gewerbewaschmittel sorgen dafür, daß die Kleidung weißer als weiß wird. „Wir können ja nicht die Temperatur erhöhen oder den Waschgang verlängern. Von daher haben wir keine andere Wahl, als über die Chemie zu gehen“, bedauert Schameitat.
In Melchers „Waschcafé“ löst das Wort Chemie Assoziationen weitaus profanerer Art aus. Dort, wo Junge und Alte aus dem Kiez zusammenkommen, wird mancher Waschgang ein Ausflug in nebulöse Welten. „Es kommt schon vor, daß einige torkelnd nach Hause gehen“, lacht Melcher. Severin Weiland
Foto: Theo Heimann/x-press
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