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Die 129a-Anklage steht auf tönernen Füßen

■ 14 von 18 Angeklagten sind nach teils langjähriger Untersuchungshaft frei

Als der Prozeß am 24. 10. 1989 begann, da sprach der damalige Generalbundesanwalt Kurt Rebmann vom „größten Terroristenprozeß in der Geschichte“ der Bundesrepublik. Die 18 Angeklagten, von denen 15 in Untersuchungshaft saßen, hätten als Mitglieder einer „terroristischen Vereinigung“ innerhalb der PKK zahlreiche Vergehen nach 129a Strafgesetzbuch begangen und sich schwerer Verbrechen schuldig gemacht. Gut zweieinhalb Jahre später, im März 1992, ergab sich ein anderes Bild. Von den zu Anfang in einen „Glaskäfig“ verbannten 18 Angeklagten saßen nun nur noch vier auf der Anklagebank. Zwölf „wegen Geringfügigkeit“ eingestellte Verfahren, ein Freispruch und eine Bewährungsstrafe, so lautete die Zwischenbilanz nach gut zweijähriger engagierter Verteidigung.

Zwei der drei Belastungszeugen, auf deren Aussagen der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung fußte, fielen als Stützen der Anklage im Zeugenstand weitgehend aus. Der erste machte von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch. Der zweite verstrickte sich in derart viele Widersprüche, daß selbst dem Gericht nichts anderes als die Einstellung des Verfahrens bei der großen Mehrheit der Angeklagten – trotz zum Teil mehrjähriger Untersuchungshaft – blieb. Die von der Anklage behauptete Zugehörigkeit zu dem PKK-Parteibereich „Parteisicherheit, Kontrolle und Nachrichtendienst“, den die Bundesanwälte als „terroristische Vereinigung“ einstufen, ließ sich bei keinem der 14 ehemaligen Angeklagten nachweisen. – Die windige 129a-Anklage, die das Düsseldorfer Oberlandesgericht mit wenigen Änderungen zur Hauptverhandlung zuließ, war mit Bedacht gewählt. Nur diese Strafnorm ermöglicht den Justizbehörden weitgehende Sonderrechte. So können ohne unmittelbare Tatnachweise Ermittlungen geführtund Anklagen erhoben werden, weil die bloße Zugehörigkeit zu einer als „terroristisch“ eingestuften Vereinigung ausreicht, um Höchststrafen bis zu zehn Jahre Haft zu verhängen. Zu den mit dem 129a verbundenen Sonderregelungen gehört, daß für die Ermittlungen immer der Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt zuständig sind und die Anklage ausschließlich bei den Staatsschutzsenaten der Oberlandesgerichte landet. Weil aber der 129a StGB auf Auslandsvereinigungen nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs so ohne weiteres nicht anwendbar ist, verfielen die Karlsruher Ankläger auf den Trick, den Bereich „Parteisicherheit, Kontrolle und Nachrichtendienst“ als eine „eigene Organisation“ innerhalb der PKK am Sitz der Europazentrale der PKK in Köln einzustufen. Durch diese juristische Konstruktion wurde der Mammutprozeß in Düsseldorf geboren, „ein Monstrum“, wie Gerhard Mauz im Spiegel schrieb, „für dessen Bändigung die Strafjustiz nicht erfunden wurde“. Letztlich ist das Verfahren an dieser Konstruktion selbst erstickt. Aus Sicht der Verteidigung diente der 129a-Vorwurf ohnehin nur einem Ziel, „die PKK als terroristisch zu diffamieren“, so Verteidiger Hans-Eberhard Schultz.

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