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Kurden auf See

■ Flucht über Lettland nach Schweden

Stockholm (taz) – Mehr als 700 kurdische Bootsflüchtlinge sind in den letzten Monaten über die Ostsee nach Schweden eingereist. Am Mittwoch kamen noch einmal 52 auf Schlauchbooten aus Lettland auf der Insel Gotland an, darunter 15 Kinder, das jüngste drei Monate alt. Für die derzeitigen winterlichen Temperaturen waren sie völlig unzureichend gekleidet und durchgefroren. Ein in der lettischen Hauptstadt Riga registriertes Fischerboot hatte sie über die Ostsee verfrachtet und ausgesetzt.

Die Mehrheit der Flüchtlinge gab an, irakische Kurden zu sein, sie haben gute Chancen, in Schweden bleiben zu können. Etwa 80 Prozent der zuletzt eingereisten Kurden aus dem Irak und der Türkei sind als Asylberechtigte anerkannt worden, der Rest erhielt eine Aufenthaltserlaubnis. Schweden kann die Flüchtlinge nicht ins Baltikum zurückschicken, da diese Länder noch nicht als sichere Drittstaaten gelten. Ein Rücktransport über die Türkei wird wegen des Krieges in Türkisch-Kurdistan derzeit nicht praktiziert.

Für irakische Kurden ist der Weg über die GUS und das Baltikum faktisch die einzige Möglichkeit, ein westeuropäisches Land zu erreichen. Lettland ist wegen seiner langen, weithin unbewachten Küstenlinie das beste Schlupfloch, um für teures Geld über die Ostsee transportiert zu werden. Estland und Litauen haben dagegen die Küstenüberwachung ausgebaut, teilweise mit ausrangierten westlichen Kriegsschiffen. In Estland sitzen schon seit August 1993 etwa 40 irakische Kurden fest, da ihnen eine Weiterreise nicht gelingt und Estland ihnen kein Asyl gewährt. Sie werden von humanitären Organisationen mit dem Notwendigsten versorgt. Keines der nordischen Länder hat sich bislang bereiterklärt, diese Flüchtlinge aufzunehmen, obwohl die Medien schon mehrfach darüber berichtet haben. Reinhard Wolff

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