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„Brüggemann ist der Motor“

■ Der 10. Tag im Prozeß um Millionenbetrug durch Warenterminhandel

Natürlich habe es mittlerweile Zwangsvollstreckungen gegeben, um den gerichtlich bestätigten Schaden von knapp 14 Mio. Mark zurückerstattet zu bekommen, „aber bis heute sind die folgenlos geblieben.“

Am 10. Verhandlungstag im Prozeß gegen die Warenterminhändler Volker Brüggemann, Eddi Birr und weitere Mitarbeiter der Firma Contracta Rohstoffhandel war gestern der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Dr. Franz-Josef B. aus Oldenburg als Zeuge geladen. Er verwaltet das Vermögen von Paul R., ein Opfer der Contracta, das 14 Mio. Mark bei Brüggemann eingezahlt hat und mindestens einmal satte 2.200 Mark zurückbekommen haben soll.

Die Zwangsvollstreckung, von der der Zeuge berichtete, richtete sich gegen den damaligen Geschäftsführer der Contracta, und das war nicht Brüggemann. Die spannende Frage, auf die sich der Prozeß immer mehr zuspitzt: Welche Funktion hatte Brüggemann in seiner Firma, wofür war er verantwortlich? Sein Klient, so erklärte B. gestern vor der VI. Großen Strafkammer, sei davon ausgegangen, daß „Brüggemann der Motor der ganzen Geschichte“ gewesen ist.

Was diese Aussage erhärtet: Zweimal ist es zwischen Brüggemann und seinem Opfer R. zu Verhandlungen über einen außergerichtlichen Vergleich zur Regulierung des Schadens von 14 Mio. Mark gekommen. R. sei dabei davon ausgegangen, daß Brüggemann „der faktische Geschäftsführer“ der Contracta sei, wenngleich auch noch weitere Contracta-Leute bei den Verhandlungen zugegen gewesen waren. Bei solchen Verhandlungen sei dem geschädigten R. ein Vergleich über vier Millionen Mark angeboten worden, „nach meiner heutigen Erinnerung von Brüggemann“, erinnert sich der Steuerberater. In einer zweiten Verhandlungsrunde habe Brüggemann außerdem damit gedroht, den Namen R.s öffentlich zu machen und damit seine Reputation als Geschäftsmann zu ruinieren.

Einen interessanten Blick auf Anwaltsgepflogenheiten eröffnete eine Episode am Rande des Prozesses. Der Zeuge Dr. B. wurde nämlich gefragt, von wem er eigentlich zu der Zivilklage gegen Brüggemann motiviert worden sei, nachdem der geschädigte R. „eigentlich gar keine Lust mehr gehabt hatte, die Geschichte neu aufzurollen“. Und Dr. B. erklärte freimütig, daß er von einem Anwalt angesprochen und auch angeschrieben worden sei, die „Geschädigten von Brüggemann in einem Interessentenpool zusammenzufassen“ und damit konzertiert gegen Brüggemann vorgehen zu können. Dieser Rechtsanwalt hatte bis zum Juni letzten Jahres den im Brüggemann-Prozeß Mitangeklagten Volker D. als Klient. „Das ist Parteienverrat“, tobte der Anwalt von Volker Brüggemann. mad

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