: Zwei Stunden Anklage
■ Prozeßauftakt gegen Aribert Galla wegen Korruption in der „Schwarzgeldklinik“
Geschlagene zwei Stunden redete sich Staatsanwalt Volker Dützschhold gestern den Mund fusselig. In seiner seitenlangen Anklage wimmelte es nur so von Fachbegriffen wie „Ausschreibung ohne Preisvergleich“, „Mißachtung der Verdingungsverordnung“ oder „Verstoß gegen Beschaffungsrichtlinien“. Vor sich in den Aktenbergen hatte Staatsanwalt Dützschhold die juristische Aufarbeitung des Korruptionsskandals um die St.-Jürgen-Klinik und ihren ehemaligen Verwaltungschef Aribert Galla, die gestern mit dem ersten Prozeßtermin im Bremer Landgericht begann.
Das Wort hatte nach der kurzen Eröffnung des Verfahrens gestern nur der Ankläger, danach wurde die Verhandlung auf Freitag, 9 Uhr, vertagt. Bestechlichkeit, fortgesetzte Untreue und Beihilfe zur Untreue wirft die Anklage dem ehemaligen Klinikchef vor. Ebenfalls vorm Gericht steht Gallas mutmaßlicher Komplize Joachim K., ein Hamburger Kaufmann, dem die Staatsanwaltschaft Beihilfe zur Bestechung, Beihilfe zur Untreue und Untreue vorwirft.
Zur Erinnerung: Aribert Galla war von 1976 bis 1987 Verwaltungsdirektor des St.-Jürgen-Krankenhauses. Während dieser Zeit hat er von Lieferfirmen für Aufträge Schmiergelder verlangt und angenommen. Dieses Geld hatte Galla teilweise in die eigenen Tasche und teilweise in eine „Graue Kasse“ geleitet, aus der Investitionen in der Klinik bezahlt wurden, die nicht im Haushalt standen. Das für sich ergaunerte Geld deponierte Galla auf der englischen Kanalinsel Jersey. Als er sein Geld abheben wollte, wurde er 1990 verhaftet und nach Bremen ausgeliefert.
Der Fall der „Schwarzgeldklinik“ schlug auch politisch hohe Wellen: Der damalige Gesundheitssenator Herbert Brückner trat als Senator und später als Landesvorsitzender der SPD zurück, ein zweijähriger parlamentarischer Untersuchungsausschuß kam zu dem Ergebnis, Galla habe „wie ein Feudalherr“ in St.Jürgen agiert und Brückners Aufsichtspolitik habe „gundlegend versagt.“ Sechs Jahre nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens steht Galla jetzt vor Gericht und will aussagen. Auch Herbert Brückner ist als einer von insgesamt 15 Zeugen für den 23. Februar geladen.
Galla ist wegen „insgesamt 12 Straftaten“ angeklagt, K. wegen sechs Vergehen. Doch im Gegensatz zu dieser überschaubaren Anzahl an Straftatbeständen bläst die schiere Menge der jeweiligen Handlungen das Verfahren immens auf: die Anklageschrift umfaßt nach Angaben der Staatsanwaltschaft insgesamt 416 Seiten, von denen allein 167 Seiten mit Beweismittelaufstellung gefüllt sind. Und so klang auch die verlesene Anklage: Jeder einzelne der Vorwürfe an kleinen und großen Gaunereien akribisch aufgeführt, mit Rechnungsnummer und Vertragspartner. Das waren immer so etwa zwischen fünf und zehn Prozent der Auftragssumme, mal 1.500 Mark, mal 15.000 Mark, mal 40.000 Mark für Bauaufträge, die Anschaffung von Autos oder die Einrichtung von Krankenhauszimmern. Insgesamt hat nach Berechnungen der Gesundheitsbehörde Aribert Galla das Land Bremen um 1,27 Millionen Mark geprellt, von denen bisher 525.000 an die Staatskasse zurückgeflossen sind. „Eine dreiviertel Million steht noch aus“, meint Wolfgang Beyer, Sprecher der Gesundheitsverwaltung. Nach seinem Ausscheiden aus dem St.-Jürgen-Krankenhaus im Frühjahr 1988 bekam Galla nach Beyers Angaben 4.500 Mark Pension, die „aus disziplinarischen Gründen“ auf 3.000 Mark reduziert wurden. Davon zieht nun die Behörde etwa die Hälfte monatlich ab, um wenigstens einen kleinen Teil des verschwundenen Geldes wiederzubekommen. Wo die immer noch fehlenden 750.000 Mark stecken, weiß allerdings bei der Behörde niemand. Bernhard Pötter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen