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Gegen Billig-Verträge

■ DGB-Veranstaltung für Verbot von 560-Mark-Jobs

„Jede Orangensaftkiste in Deutschland ist registriert – aber über die genaue Zahl von geringfügig Beschäftigten gibt es nur grobe Schätzungen“. Diese Klage wurde am Dienstag abend auf einer DGB-Veranstaltung zum Thema „Ungeschützte Arbeitsverhältnisse“ laut – möglicherweise deshalb, weil überwiegend Frauen in diesen Verhältnissen arbeiten.

Von über 4,3 Millionen „abgabefreien“ Arbeitsverhältnissen geht der DGB bundesweit aus, über 90 Prozent davon werden von Frauen ausgeführt. Betroffene Frauen jedoch waren an diesem Abend wenige erschienen. 30 Funktionärinnen der Gewerkschaften und Parteien blieben weitgehend unter sich. Dabei nehmen die ungeschützten Arbeitsverhältnisse zu. „In den vergangenen zwei Jahren bundesweit um 14 Prozent“, so Sabine Uhl, Senatorin für Frauen und Arbeit.

Elend, darin war sich die Runde einig, sei nicht nur die Situation von Arbeitnehmerinnen, die unter der „Geringfügigkeitsgrenze“ von monatlich 560 Mark sozialversicherungsfrei arbeiten – und deshalb keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Rente erwerben. Zu den ungeschützten Arbeitsverhältnissen zählten ebenso befristete Arbeitsverhältnisse, wie beispielsweise an der Volkshochschule: „Erst kurz vor Semesterbeginn erfahre ich, ob und in wievielen Kursen ich unterrichten kann“, so eine Betroffene. „Und wenn der Raum verschlossen ist oder die Heizung ausfällt, geht das zu meinen Lasten.“ Daß diese Frau jedoch nicht in den Statistiken auftaucht, ist eine Definitionssache: „Sie gelten als eigenständige Unternehmerin und tragen das Risiko selbst“ lauteten die ironischen Kommentare.

Als geringfügig Beschäftigte gelten in Bremen 30.000 Angestellte, schätzte Hella Baumeister. Von denen aber sei kaum jemand beim öffentlichen Dienst beschäftigt, bestätigte sie die Zahlen des Ressorts Frauen und Arbeit. Hier nämlich werde schon seit langem privatisiert. Eine Folge: „Die Frauen arbeiten jetzt bei privaten Firmen zu Konditionen, die schwer zu kontrollieren sind.“ Und: „Es fehlen Auflagen für private Anbieter ehemals öffentlicher Leistungen“.

Möglicherweise jedoch fehlt es auch am politischen Willen. Selbst die gegenwärtige Haltung der SPD sei „rückschrittlich“, so Baumann. „Die alte SPD-Position war doch: Solche Arbeitsverhältnisse wollen wir gar nicht“, ging der Vorwurf an die Senatorin. Den Frauen laufe die Zeit weg: „Morgen ist der Arbeitsplatz wegrationalisiert, dann stehen sie ganz ohne was da“

Diesen Forderungen stehen auch innergewerkschaftliche Schwierigkeiten entgegen: Während DGB und Einzelgewerkschaften zum Erhalt von Klöckner kämpfen, gehe das Sparprogramm im öffentlichen Dienst überwiegend zu Lasten der Frauen, so eine Diskussionsteilnehmerin. Wer darauf allerdings hinweise, werde von den Kollegen gefragt: „Wollt ihr etwa Klöckner opfern?“ ede

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