Berlinale 1994: Eine Retrospektive für Erich von Stroheim

Erich von Stroheim (1885–1957) liegt der Filmgeschichte ein bißchen quer im Magen: Mit einem Januskopf gleichzeitig dem Wilhelminismus wie auch gewissen lasziven Obsessionen zugewandt, läßt er sich schlecht packen. Mit bösem Blick schaut er hinter einem Monokel hervor, festgezurrt und hochgeschlossen die Uniformjacke, aber dann beugt er sich zum Kuß über die Comtesse an seiner Seite, bis ihr und den Zuschauern Hören und Sehen vergeht. Für ihn war das weniger unvereinbar als für uns; er hatte einen Begriff von Ehrenhaftigkeit, der Eskapaden mit ZaSu Pitts nicht ausschloß, einen kleinbürgerlichen Umgang mit Geld und Karriere dafür aber um so mehr. Er hatte bei Griffith sein Handwerk gelernt, aber das hätte ihm um ein Haar nichts genützt. Seine kantige Eigenständigkeit vertrug sich nicht mit dem Studiosystem; obwohl er durch „Foolish Wives“, „Greed“ oder „The Merry Widow“ einen Namen hatte, kosteten ihn diese Filme Geld, wurden zum Teil durch die Studios ruiniert (Happy-End-Zwang!). Ein bißchen glücklich kann man über dieses Scheitern allerdings auch sein: Womöglich hätte man ihn sonst nie in „La Grande Illusion“ oder „Sunset Boulevard“ spielen sehen, als den „Man you love to hate“, wie es in einem Dokumentarfilm heißt, der in der Retrospektive gezeigt wird.

Mit Bernardo Bertoluccis „Little Buddha“ beginnen heute die 44. Berliner Filmfestspiele. Unbesehene taz-Favoriten sind bislang Filme mit einer gewissen „Fearless Nadia“, einer indischen Action-Heldin der 30er Jahre, Alain Resnais' „Smoking“ und „No Smoking“ und natürlich ein Kurzfilm mit dem Titel „Your Kunst Is Your Waffen“. Ab heute finden die Berliner, ab morgen auch der Rest der Republik aktuelle Berichte, Rezensionen und Interviews von unserem olympiareifen Filmteam auf der Berlinale.

Foto: Stiftung Deutsche Kinemathek