: Die Sorgen des Fritz V.
■ Müllverbrennung in Neuhof umstritten
Der Mann hat drei Sorgen. Die erste: 240.000 Tonnen Müll suchen ihn nächtens heim. „Mit dieser Entsorgungslücke kann ich nicht mehr ruhig schlafen“, gibt Hamburgs Umweltsenator Fritz Vahrenholt Auskunft über seine Befindlichkeit. Denn da Hamburg ab 1998 seinen Abfall nicht mehr auf die Skandal-Deponie Schönberg karren will, muß die Stadt pro Jahr eine viertel Million Tonnen Müll in Luft auflösen. Das soll, so hat der Schlechtschläfer beschlossen, auf dem Gelände des Ölheizkraftwerks Neuhof in Wilhelmsburg geschehen. Mit einem niegelnagelneuen Müllheizkraftwerk.
Sorge Nummer zwei für „Feuer-Fritze“, wie ihn die GegnerInnen seiner Müllverbrennungspolitik nennen: Die Wilhelmsburger laufen gegen die geplante Anlage Sturm. Sie wollen nach dem Georgswerder Müllberg nicht auch noch eine Verbrennungsanlage in ihrem Stadtteil dulden. Und drittens: Vahrenholts Argumente kommen in Wilhelmsburg nicht an. Sechsmal bereiste er schon die kommunalen Gremien, ohne zu überzeugen – am heutigen Mittwoch steht ab 17.30 Uhr im Bürgerhaus Wilhelmsburg eine weitere öffentliche Diskussion auf dem Terminplan. „Diese Anlage kommt den Wilhelmsburgern sogar zugute“, findet der Umweltsenator. Da die bei der Müllverbrennung gewonnene Energie ins Fernwärmenetz eingespeist werden soll, kann das am selben Platz befindliche Ölkraftwerk abgeschaltet werden. Dadurch soll sich der Ausstoß an Stickoxiden, Schwefeldioxid, Staub und Schwermetallen drastisch verringern. Im Klartext: Mit Müllverbrennung zur Luftreinhaltung.
Überzeugender wären diese Argumente noch, wäre da nicht ein kapitaler Fehler in der behördlichen Entscheidungsprozedur. Das für die jetzt getroffene Wahl entscheidende Gutachten wurde von der Firma Consul Electra, einer Planungsgesellschaft der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) verfasst. Sie setzte in ihrer Prioritätenliste, welch Zufall, den von der HEW genutzten Standort fast ganz nach oben. Und daß an diesem Platz „nur die HEW als Betreiber infrage kommen“, ist Vahrenholt sich schon heute sicher.
Eine etwas unglückliche Verquickung, durch die unser schlafloser Senator noch eine zusätzliche Sorge bekommen dürfte.
Marco Carini
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