: Blinde Kuh im Etat-Dschungel
■ Neue Finanzpolitik für Hamburg? / Sparquoten reichen nicht mehr aus / Radikalreformer kämpfen um neues Finanzmanagement Von Florian Marten
Während gegenwärtig allüberall in Hamburgs Amtsstuben SchreibtischtäterInnen über dem neuen „Volkssport Sparen“ (Ortwin Runde) schwitzen und die Sparquotenregelung der Finanzbehörde in die Haushaltsplanung 1994 umsetzen, basteln die Chefplaner der Finanzbehörde schon längst an neuen Folterinstrumenten. „Mittelfristige Aufgabenplanung“, kurz MAP, heißt das Wundermittel, an dem die Stadtfinanzen gesunden sollen.
Die Grundidee: Statt sich alljährlich über einzelne Haushaltstitel zu streiten, die – einmal genehmigt – oft auf Jahrzehnte hinaus ein kostspieliges Eigenleben führen, sollen Hamburgs Fachbehörden künftig Sammel-Budgets erhalten. Der Clou: Wie im richtigen Wirtschaftsleben müßten sich die Behörden dann fragen, wie sie ihre Aufgaben mit möglichst effizientem Mitteleinsatz bewältigen. Oder, in unverfälschtem Reformerdeutsch: „Aufgaben- und Ausgabenverantwortung werden zusammengeführt.“ Das Fernziel: Behörden sollen sich in moderne Dienstleistungsunternehmen verwandeln, die nicht mehr an der Größe ihrer Haushaltstitelsammlung, sondern an der Qualität ihrer Aufgabenerledigung gemessen werden.
In einem Probedurchlauf hat die Hamburger Finanzbehörde 1993 ihre neue Arznei bereits getestet: Sie dampfte das Kuddelmuddel der stadtstaatlichen Haushaltstitel auf gut einhundert Aufgaben ein und faßte dabei Sach- und Personalausgaben zusammen (z.B. bei der Aufgabe „Strafvollzug“). Im rot-grünen Frankfurt, wo der grüne Stadtkassierer Tom Koenigs derzeit dank Bankiersberatung für Furore sorgt, hat die MAP wie im ebenfalls rot-grün gefärbten München erste erfolgreiche Anwendungsversuche hinter sich.
Anders in Hamburg: Die Fachbehörden statteten ihre „Aufgaben“ mit derart absurden Finanzwünschen aus, daß der Senat im Januar 1994 resigniert feststellen mußte: „Das selbstgesteckte Ziel, der Bürgerschaft eine Mittelfristige Aufgabenplanung vorzulegen, konnte nicht realisiert werden.“
Sperrfeuer gegen das neue Finanzmanagement kommt nicht nur aus den Fachbehörden, die ihren alten Trott verteidigen. Auch die SPD-Fraktion und viele Bürgerschaftsabgeordnete anderer Parteien stehen dem neuen Finanzkonzept skeptisch gegenüber: Kontrolle der Fachbehörden, so argumentieren sie, sei eben nun mal nur über die Festlegung von genau umrissenen Haushaltstiteln möglich.
Die Chefplaner der Finanzbehörde kontern: Das Denken in „Einzelmaßnahmen“ sei völlig antiquiert. Es müsse endlich über Aufgaben und Schwerpunkte diskutiert und entschieden statt Blinde Kuh im Einzeltitel-Dschungel gespielt werden. Der Finanzbehörde und den Spitzen einiger Fachbehörden, meinen dagegen die KritikerInnen, gehe es nicht um Effizienz, sondern um Machtzuwachs. SkeptikerInnen lancieren eine andere abfällige Variante: Wie alles Neue und Moderne werde Hamburg die MAP nie richtig zum Laufen kriegen, das Finanzchaos werde sich nur noch vergrößern.
Der vorläufige, echt hanseatische Kompromiß lautet: „Vorbereitung der erneuten Erprobung und weiteren Entwicklung der MAP“. Die Inhaber der 23 für die MAP geschaffenen Stellen in allen Hamburger Behörden dürfen weiter arbeiten. Und mit ihnen, so glauben die Reformer am Gänsemarkt, arbeite die Zeit für ihre Vorstellungen: „Ohne eine Radikalreform des Finanzmanagements sind die absehbaren Haushaltskrisen überhaupt nicht mehr steuerbar“.
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