: Die beiden Preisträger im Interview
taz: An den Themen Holocaust und Vergangenheitsbewältigung haben sich viele Künstler mit oft peinlichen Ergebnissen versucht. Was hat euch dazu bewegt, das ein weiteres Mal zu probieren? Markus Löffler: Erst mal haben wir die Gedenkstätten rein aus Interesse besucht; nicht um gleich eine Arbeit darüber zu machen. Da fielen uns aber einfach gewisse Sachen auf. In Sachsenhausen zum Beispiel, wo direkt am Eingangsbereich ein Kiosk steht. Da kann man sich ein Eis kaufen und über die Gedenkstätte flanieren. Das tun natürlich auch viele. Und dem ist man als Besucher ausgesetzt. Da fragt man sich: Soll ich mir jetzt auch ein Eis kaufen? Soll ich es verdammen, daß andere Leute Eis essen? Dadurch sind wir an das Thema rangekommen. Andree Korpys: Wir haben auch beobachtet, daß da eine gewisse Verlagerung stattfindet. Die DDR hat in ihren Gedenkstätten früher viele Souvenirs verkauft, Münzen, Anstecknadeln, Wimpel. Heute gehen sie dazu über, zum Beispiel den Kiosk in Sachsenhausen abzuschaffen, die Tankstelle in Buchenwald zuzumachen. Das wird heute ganz offensichtlich neu bewertet. In euren Bildern wird ja eher das Gegenteil dargestellt, nämlich daß sehr despektierlich mit den Gedenkstätten verfahren wird. Löffler: In Bergen-Belsen ist das auch so. Das liegt ja direkt in einem militärischen Übungsgelände. Im Hintergrund hörst du da die Schüsse. Korpys: ...und die Panzer fahren auf den Straßen drumherum. Aber ein Café wollen sie dann doch nicht aufmachen. Es ja eine staatliche Gedenkstätte. Aber dieser Staat gibt sich hier auf der einen Seite seriös und pietätvoll, auf der anderen ist es ihm offenkundig scheißegal. Was ist denn von diesem ganzen Komplex in einem Bild sichtbar zu machen? Korpys: Die Atmosphäre, die Widersprüchlichkeit; vielleicht fühlt man auch etwas Befremdliches, wenn man sich diese Bilder ansieht. Vielleicht merkt man, daß da etwas Absurdes drin ist, daß da etwas nicht stimmt. Warum keine Fotografie? Was hätte da gefehlt? Korpys: Eine Fotografie ist einfach dokumentarischer; das Befremdliche wäre nicht rübergekommen. Aber jetzt hat man diesen Gegensatz: Die schlechte, plakative Malerei, in der alles sehr banal dargestellt ist, und das Motiv der Gedenkstätte, das man ja eben nicht als banales Objekt abhandeln kann. Warum habt ihr euch entschieden, die Ausführung der Bilder einem Plakatmaler zu überlassen? Löffler: Um eine Distanz zu gewinnen. Wenn man sowas als Maler selber macht, wird man sofort in eine moralische Ecke gedrückt. Da bekommt das Bild gleich eine deutliche Wertung. Aber unser Plakatmaler, der malt sonst Kinoplakate, Werbetafeln; der hat zwar seinen Stil, aber er malt eigentlich nur Flächen aus, fast wie ein Farbkopierer. Fragen: tom
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