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Die Robin-Hood-Variante vor Gericht

■ Galla-Prozeß: Gute Menschen mit edlen Motiven füllten die grauen Kassen

Mit jedem neuen Verhandlungstag werden die Motive der Angeklagten und ihrer Mitstreiter ehrbarer. Nach wie vor weist Aribert Galla, der ehemalige Verwaltungschef der St.Jürgen-Klinik, den Vorwurf der Staatsanwaltschaft weit von sich, Geld aus den „grauen Kassen“ zur illegalen Krankenhausfinazierung in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben. Auch sein Gehilfe, der ebenfalls angeklagte Joachim Krauß geht „bis heute davon aus, daß das Geld in Jersey für das Krankenhaus bestimmt war.“ Am gestrigen dritten Verhandlungstag gegen die beiden Hauptfiguren der „Schwarzgeldklinik“ bescheinigten sie aber auch ihren Geschäftspartnern ein ungewöhnlich hohes Maß an Verantwortungssinn für ein funktionierendes Gesundheitssystem in Bremen.

Denn das Geld war den Finanzjongleuren nur wichtig, wenn sie damit Gutes tun konnten. Das verstanden die Firmen und verzichteten daher gern auf Tausende von Mark, wenn sie denn nur der Sanierung des Krankenhauses in der St.Jürgen-Straße zugute kamen. So jedenfalls lauteten die Aussagen von Galla und Krauß. So habe sich ein Unternehmen „ganz von selbst“ bereiterklärt, nach dem Auftrag für Bauarbeiten in St.Jürgen für die „graue Kasse“ zu bezahlen. Ein anderer Unternehmer aus Berlin sei ebenfalls aus eigenem Antrieb davon ausgegangen, daß er pro Auftrag Schmiergelder zahlen solle. Ein Autohaus verkaufte der Klinik erst für 400.000 Mark vier Lkw und „wollte dann für die knappe Krankenhauskasse etwas leisten“ – 16.000 Mark.

Die Hamburger Firma WIBU schließlich, deren Geschäftsführer Gallas Kompagnon Krauß war, verzichtete zugunsten der grauen Kasse auf Jersey gar freiwillig auf eine Provision von 200.000 Mark für eine Geschäftsvermittlung. Nur auf mehrfache Nachfrage in der Verhandlung kommt heraus, daß die Firmen gezahlt hatten, weil sie bei der nächsten Auftragsvergabe natürlich wieder berücksichtigt werden wollten. Krauß war es auch, der seinem Freund Aribert Galla 10.000 Mark in bar schenkte, „weil ich gute Geschäfte gemacht hatte und er was abhaben sollte.“

Große Fortschritte bei der Wahrheitsfindung machte das Gericht gestern nicht. Vielmehr bissen die Richter und Schöffen sich weiter durch das verwirrende Finanzdickicht. Der Umgangston zwischen Staatsanwalt und Verteidigern ist merklich schärfer geworden. Der Vorsitzende Richter Kratsch wird öfters laut – ob aus Rücksicht auf den schwerhörigen Krauß oder aus Frust über des quälend langsame Verfahren.

Die Strategie der Verteidigung ist weiterhin die gleiche: Dienstvergehen und damit Bestechlickeit zugeben und mit den katastrophalen Umständen in der Klinik rechtfertigen. Einen eigenen Vorteil daraus energisch abstreiten und mit der Robin-Hood-Variante („Nimm es den reichen Pharmafirmen und gib es dem armen Krankenhaus“) verteidigen. Spannung steht dem Prozeß hier bevor: Wenn der ehemalige Gesunheitssenator Brückner aussagt und zweitens, wenn der Staatsanwalt den Angeklagten nachweisen muß, wie sie Geld in die eigene Tasche gesteckt haben. Bernhard Pötter

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