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Black & White – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Grill

Unterirdisch kriecht die Schlange, / Jeder lange / Sich die Zeitung. / Was im Schwange, / in der Leitung, / alles kaut der Gummiesser, / Zeitungsfresser.

Ein Gedicht von Marina Zwetajewa. Paßt gut zur Landung in... nein, nicht in der Normandie. Dort findet der Einfall der Pressemenschen erst im Juni statt. Wir meinen die Invasion am Kap. Die läuft schon. Anlaß: die ersten freien Wahlen, seit den „Eingeborenen“ das Land geraubt wurde. Mandela, Gold, Gewalt. „Da müssen wir groß einsteigen“, raunt es in den transatlantischen Mediengeneralstäben. Eigentlich gehört es sich ja nicht, über die eigene Zunft zu schreiben. Denn auch wir Journalisten sind rabentraulich und hacken uns nicht gegenseitig in die Linsen. Aber jetzt stehen nun mal die ersten zwo Absätze schon...

Invasion also, flugzeugweise. Chefredakteure schweben hernieder. Ressortleiter und Redaktionsdirektoren checken ein. Sonderreporter schwärmen aus. In den Studios hocken schon die Spezialanalytiker und scholl-latouren übers Highveld. Free lancer und Extraberichtler und Starfotografen kämmen durch den Busch. Tagtäglich wächst das Invasorenheer. 3.000 Köpfe werden am 27. April in die Wahlurnen schauen. Schreibt doch die einheimische Helen Grange tatsächlich, diese Auswärtigen hätten nicht mehr im Handgepäck als Stift, Block und drei Worte Englisch. Nein, liebe Kollegin, wir erwarten lauter Fachleute. Ein flinkes Büchl im Flieger, ein small talk mit dem Korrespondenten, ein Tee beim Botschafter – fertig ist der oder die LandeskennerIn.

Die Prinzipien heißen: 1. Hit the main story hard (Hau ordentlich rein), und 2. If you don't know the facts, state the principles (Wenn du blank bist, dann denk dir irgendeinen oberlehrermäßigen Schmarrn aus). Letzteres gilt insonderheit für unsere geschätzten Leitartikler. Fakten? Die stören bei geopolitisch-metahistorischen Höhenflügen nur. Wer verdirbt den Geist so mancher / Söhne? Opfert ihre Leiber? / Blutverpanscher, / Zeitungsschreiber. Besonders hart in diesen aufregenden Zeiten haben es die Knipser und TV-Macher. Neulich, zum Beispiel, waren wir zwecks Wahlkampf in einem Hospital. Präsident FW, Chef des runderneuerten Apartheidvereins National Party, streichelte einem schwarzen kranken Büblein übers Kraushaar (das den Jungen vor etlichen Jahren noch als „rassisch minderwertig“ ausgewiesen hatte). Der weiße Vater, der kohlrabenschwarze Mohr, das neue Südafrika – welch ein shot! Die Bilderschießer und Kameraleute gingen gleich in den Nahkampf, eine halbe Kompanie am Krankenbettchen, das war ein arges Hauen und Stechen und Klicken. Gottlob wurde niemand verletzt. Und weiter ging die Roadshow. Aber der richtige Thrill kommt natürlich nur im Township. AK 47, Heckenschützen, Mord und Terror. Schwarze Journalisten, die sich dort besser auskennen und Zulu oder Xhosa sprechen, haben weiße Kollegen schon oft aus brenzligen Situationen gelotst. Dafür wurden sie umgekehrt im Stich gelassen, wenn rechtsradikaler Burenmob auf sie losging. Ob die Invasoren auf der Hetzjagd nach scoops überhaupt dazu kommen, über solche menschlichen Nebensachen nachzudenken? So, Freunde, so weit, so gut, / Daß ich nicht noch weitergehe, / Das ist, was ich denke, wenn ich / Mit dem Manuskript dastehe.

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