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Bremen im Schlüsselloch

■ Handelskammer und Senat starten millionenschwere Image-Werbung

Was kennt die Welt von Bremen? Stadtmusikanten, Becks-Bier und den SV Werder? Oder eher Klöckner, Haushaltsloch und Junkie-Elend? Jedenfalls hat die Freie Hansestadt in Deutschland viel zu häufig das Image einer teuren Klagemauer vor sich hergeschoben, meint Josef Hattig, Präses der Handelskammer. Das soll sich nun ändern: „Tradition, positive Emotionen und einen vorzeigbaren Wirtschaftsstandort“, will er als binnenbremische Werte propagieren lassen. Handelskammer und Senat haben zusammengelegt, um den Blick durchs „Bremer Schlüsselloch“ für die Menschen schmackhaft zu machen.

Nicht für irgendwelche Menschen natürlich. „Meinungsbildner und Multiplikatoren wie auch potentielle Führungskräfte“ sollen es schon sein, auf jeden Fall LeserInnen von „Spiegel“, „Focus“, „Wirtschaftswoche“ und „Zeit“. Denn da werden ab März die Schlüsselloch-Anzeigen geschaltet: Unter der Überschrift „Riskieren Sie doch mal einen Blick“ sollen dem Fremden die Vorzüge Bremens schmackhaft gemacht werden: Die Gäste beim Schaffermahl, die die „traditionell festgelegten neun Gänge über sich ergehen lassen müssen“. Der Roland, der zum Geburtstag von den BremerInnen Blumen geschenkt bekommt. Auch die „bundesligareifen Qualitäten“ auf Gebieten, die nicht nur Fußball sind, will die Stadt ihren Gästen „vordribbeln“. „In Bremen kann man auch fallen“ warnt eine andere Anzeige mit dem Bild des Fallturms an der Uni und schwärmt vom „schwerelosen Art, hier zu leben“. Ein Radfahrer vor Windmühle im Nebel schließlich soll in feiner Umschreibung des traditionellen Schmuddelwetters für Bremen werben, weil hier „meeresfrische Kühle, Wetter und Landschaft für viel Grün und flache Radwege sorgen.“

Die Kosten von 3 Millionen Mark, die die auf etwa vier Jahre angelegte Kampagne in diesem Jahr kosten wird, wollen Handelskammer und Senat sich teilen. Kaufleute und Ampelsenat haben für diese Aufgabe ihren Kleinkrieg beigelegt und wollen an einem Strang ziehen. „Was Bremen dringend benötigt ist ein positiver Gesamteindruck“, meint Hattig. Und auch Bürgermeister Klaus Wedemeier will das Image seines kleinen Landes korrigieren: „Wenn von Bremen die Rede ist, denken die meisten Leute in Deutschland nur an sogenannte Altindustrien wie Stahl und Werften.“ Dabei hat Bremen nach seinen Worten viel mehr zu bieten, ein großes technisches Potential und ein „Zentrum der Nahrungs- und Genußmittelindustrie“. Über die Risiken in Bremen, da sind sich Wedemeier und Hattig einig, werde ohnehin „häufig und intensiv“ geredet“. Jetzt sind da mal die „Standortqualitäten“ dran: „Die Lebensqualität, die Häfen, die zukunftsweisende Industrie.“ Mit der Werbekampagne solle angesichts von Massenarbeitslosigkeit und leerer öffentlicher Kassen „nichts übertüncht werden. Aber ständiges Kopfschütteln führt zu nichts“, meint Präses Hattig.

Der Erfolg der Imagekampagne wird wohl davon abhängen, ob die „Meinungsbildner und potentiellen Führungskräfte“ mit der Bahn nach Bremen kommen oder nicht. Wenn ja, sieht es schlecht aus für das Image der Stadt: Im Hauptbahnhof gibt es schließlich auf der Anzeigetafel nur Informationen über abfahrende Züge, von einem Willkommen ganz zu schweigen. Das Signal ist klar: Mach, daß Du hier wegkommst! bpo

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