: Kein Standort-Schnellschuß in Wilhelmsburg
■ GAL, Ökopol und WilhelmsburgerInnen vereint gegen Müllverbrennungsanlage
Der Protest gegen das geplante „Müllheizkraftwerk“ Neuhof geht weiter. Am gestrigen Abend statteten gut 100 WilhelmsburgerInnen der Umweltbehörde einen unangekündigten Besuch ab – Umweltsenator Vahrenholt, die Zielscheibe des Protests, aber war schon außer Haus. Vorher hatten die Verbrennungs-GegnerInnen bereits vor dem Wilhelmsburger Ortsamt demonstriert. Sie forderten die Sofort-Rücknahme der Standortentscheidung für Hamburgs dritte Abfallverbrennungsanlage.
Die gleiche Forderung erhob gestern auch die abfallpolitische Sprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion, Antje Möller. Sie warf Fritz Vahrenholt vor, in „autoritärer Manier über die Köpfe der Bevölkerung hinweg eine Standortentscheidung getroffen“ zu haben. Den Senat forderte sie auf, „den Planungen der Umweltbehörde die Zustimmung zu verweigern“. Statt einem Standort-Schnellschuß sei eine Diskussion mit umfassender Bürgerbeteiligung gefragt, bei der neben ökologischen auch „soziale und stadtentwicklungspolitische Aspekte berücksichtigt werden“ müßten.
Anstelle des „planlosen Vorgehens“, das zu einer „willkürlichen Entscheidung“ Entscheidung geführt habe, seien ein „vorsorgendes Abfallwirtschaftskonzept“ und einschneidende Schritte zur Verminderung von Gewerbeabfällen von Nöten. Zwar müßten „Alternativen zur Abfallverbrennung geprüft“ werden, doch verschließt sich die GAL nicht grundsätzlich einem Ausbau der Hamburger Müllverbrennungskapazitäten. Doch statt des Standorts Neuhof befürwortet Möller einen weiteren Ausbau der bereits vorhandenen Müllverbrennungsanlagen Borsigstraße und Stellinger Moor.
Auch das Hamburger Umwelt-Institut „Ökopol“ meldete sich gestern mit einer „fachlichen Stellungnahme“ zum Thema Neuhof zu Wort. Nach seiner Berechnung verbleibt nach dem geplanten Ausbau der Müllverbrennungsanlage Stapelfeld und der Betriebsaufnahme der MVB Borsigstraße statt der von Vahrenholt konstatierten Abfall-Entsorgungslücke von 240.000 Tonnen nur ein Loch von 170.000 Tonnen. Diese Lücke ließe sich aber durch den begonnenen Ausbau der Kompostierungsanlagen und die anvisierten Rücknahmeverordnungen für Verpackungen, Elektro-Schrott und Druckerzeugnisse schließen.
Auch die von der Umweltbehörde behaupteten „umweltbezogenen Vorteile“ des Vahrenholt-Plans, das bestehende Ölkraftwerk durch ein Müllkraftwerk zu ersetzen, mag das Umwelt-Institut nicht nachvollziehen. Denn der bislang verbrannte Produktionsrückstand Schweröl müßte auch weiterhin entsorgt werden. Die heutige Luftbelastung durch das Öl-Kraftwerk ließe sich zudem durch technische Nachrüstungen problemlos drosseln. Davon aber war Vahrenholt bei seinem Schadstoff-Vergleich längst ausgegangen. Marco Carini
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