Widerstands-Trasse bis Berlin?

■ Bürgerinitiativen und Fachwelt machen mobil gegen den Transrapid / Die Nord-Sozialdemokraten zögern bisher noch Von Florian Marten

„In einigen Wochen werden Sie kaum ein Dorf ohne Bürgerinitiative an der geplanten Transrapid-Trasse finden.“ Hörbar zufrieden schilderte gestern Oliver Wendenkampf, Widerstandskoordinator des Umweltverbandes BUND, die Lage auf dem Schlachtfeld des 15 Milliarden Mark teuren Magnetgleiter-Projektes, das, geht es nach Kanzler Kohls und der Industrie Wünschen, einst Hamburg und Berlin auf 53-Minuten Fahrzeit zusammenschnurren lassen soll.

Die Inis in Glinde, Ludwigslust, Wittenberge und Spandau sind nicht allein. Besonders genervt hat Helmut Kohl, der das Ding gegen Theo Waigels Widerstand Anfang März durchs Kabinett boxen will, jetzt der konservative Verkehrspapst Gerd Aberle. Aberle, Chef des traditionell technikfreundlichen wissenschaftlichen Beirats des Verkehrsministeriums, hatte kürzlich erneut die unserisöse Kalkulation, die technischen Risiken und die abenteuerlichen Grundannahmen der Transrapid-Lobby in einer harschen schriftlichen Stellungnahme zerpflückt.

Wilfried Sauter, Fachexperte des BUND für den Transrapid, ahnt, wie Aberle zu helfen ist: „Sie können sich gewaltige journalistische Verdienste erwerben, wenn Sie die Probleme der Öffentlichkeit klarmachen. Das ist nicht ganz einfach. Die Politiker sind bislang ja kaum informiert, allenfalls vom High-Rech-Glamour geblendet.“ Verkehrspolitische Weiterbildung auf Umwegen? Klaus Daubertshäuser, Verkehrsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, kann davon ebenso ein Lied singen wie der Hamburger SPD-Verkehrsspezi Werner Dobritz, die sich beide – bislang vergeblich – bemühten, ihr klares fachliches Nein in einer ebenso klaren parteilichen Beschlußlage veredeln zu lassen. „Mit Vernunftgründen allein“, so Hamburgs SPD-MdBU Hans-Ulrich Klose, komme man nicht weiter: „Sozialdemokratie würde mit Technikfeindlichkeit gleichgesetzt.“

Wilfried Sauter riecht da eher galoppierenden Realitätsverlust. Ökologische Gründe, wie der Landschafts- und Energieverbrauch, sowie ein Lärmteppich, doppelt so laut wie ein Hochgeschwindigkeits-ICE, so betonte er gestern, sprächen zwar auch gegen den Transrapid, dieses Projekt sei aber zuallererst wirtschafts- und verkehrspolitisch kriminell. Unisono mit Aberle klassifiziert Sauter die für Bau, Betrieb und Kalkulation der Strecke HH-Berlin Zahlen als absolut unrealistisches und widersprüchliches „Konglomerat von Bestfall-Annahmen.“ So sollen im Jahr 2004 40.000 Menschen täglich den Transrapid benutzen (ein Vielfaches der heutigen Gesamtzahl aller Passagiere in Flugzeug, Auto und Bahn), zwischen 50 und 180 DM fürs Einfach-Ticket löhnen (heute mit Bahncard: 24,50 DM) und die Baukosten wirklich nur 5,6 statt der von Kritikern befürchteten 7 bis 10 Milliarden Mark betragen .

Bislang überhaupt nicht kalkuliert ist der Widerstand der Deutschen Bahn AG, die sich plötzlich ziert, Transrapid-Betreiber zu werden, nachdem Bonns Druckmittel (Verweigerung der Bahnreform) nicht mehr greift: Nur wenn Bonn der DB AG den Eigenkapitalanteil von 300 Millionen Mark und einen jährlichen Einnahmeausfall von 200 Millionen erstatte, werde die DB mitmachen. Forschungsminister Krüger bekundet schon Beileid: „Ich beobachte mit Sorge, daß durch einseitige Stellungnahmen von Bedenkenträgern eine sachliche Diskussion um den Einsatz des Transrapid erschwert wird.“