Nicht immer nur Krieg

■ „Bosnische Schule“ in Hemelingen, Gröpelingen und Blumenthal

Wenn alle anderen Kinder schon lange nach Hause gegangen sind, dann versammeln sie sich zum Unterricht: Die dreißig bosnischen Kinder in der Gröpelinger Grundschule im Pastorenweg. Zweimal wöchentlich kommen sie freiwillig hierher, dann wird hier am Nachmittag „bosnische Schule“ gehalten. Hier, in Hemelingen und in Blumenthal besuchen rund 80 Kinder den bosnischen Unterricht – 100 SchülerInnen werden noch erwartet. Das jedenfalls schätzt Lehrer Munib Milinkic.

Seit Munib Milinkic im Juli letzten Jahres nach Bremen kam, trug er die Idee zu diesem Unterricht mit sich herum, die zum 1. Februar dieses Jahres endlich verwirklicht wurde. Nun arbeiten der bosnische Verein „Gemeinschaft Demokratischer Aktion“ und die Bremische Schulbehörde zusammen: Die Behörde gibt einen Zuschuß zu den Unterrichtsmaterialien. „Im Schnitt 13 Mark pro SchülerIn “, so Munib Milinkic. Er und die anderen LehrerInnen leisten die Arbeit ohne Entgelt. Aber sie sind froh, daß das Unternehmen überhaupt zustande kam. „Nun muß sich diese Unterrichtsmöglichkeit noch mehr unter den bosnischen Familien herumsprechen“, sagt der Lehrer. Immerhin leben rund 350 bosnische Kinder in Bremen. „Und wir müssen die Probleme mit den langen Wegen für die Kinder lösen“. Bisher wird außer in Gröpelingen nur noch in den Stadtteilen Blumenthal und Hemelingen unterrichtet. Das bedeutet für die meisten Kinder Fahrtkosten und lange Straßenbahnfahrten – ein Hindernis vor allem für die Kleinsten.

Die stellen trotzdem gut die Hälfte der Unterrichtswilligen: In den Klassen 1 bis 4 tummeln sich vierzig Kinder, verteilt auf alle drei Unterrichtsorte. Hier wird bosnisch gesungen, gespielt und erzählt. Eine Kindergruppe wie jede andere, möchte man auf den ersten Blick meinen, wenn man die 5 bis 11-jährigen Kinder im Klassenraum sieht. Aber das stimmt nicht ganz: Fast alle Kinder aus den Kriegsgebieten flüchten. Die meisten von ihnen leben nur bei einem Elternteil – manche sind mit Bekannten geflüchtet, ob ihre Eltern noch leben, wissen sie nicht. Für alle Kinder stellt der Nachmittagsunterricht einen kleinen Freiraum dar. Auch für die fünf Lehrkräfte dieser bosnischen Initiative bedeutet der Unterricht etwas besonderes: Ein wenig geregelten Alltag und Verantwortung im angestammten Beruf. Munib Milinkic beispielsweise ist schon seit über zwei Jahren auf der Flucht. Nachdem der Lehrer für Bildende Kunst und Geschichte mit der ganzen Schule nach Polen evakuiert worden war, unterrichtete er erst in Kattowice, dann in Krakow und nun hier: „Immer in Provisorien. Immer in gemischten Altersgruppen.“ Das sei nicht leicht, sagt er. „Aber regulären Unterricht gebe ich hier sowieso nicht“

In der „bosnischen Schule“ kommt es vor allem auf die Gemeinschaft unter den Kindern an. Und auf die Besinnung auf bosnische Kultur. „Bisher wurden die bosnischen Kinder als Jugoslawen erzogen, lernten über Kommunisten und hörten von bosnischen Helden nichts“. Das ändert sich nun. Selbst in der Sprache tauchen jetzt Wörter alten bosnischen Ursprungs auf, die die Kinder bisher nicht kannten.Und auch für den Alltag der Kinder soll die Schule eine große Rolle spielen: „Wir können nicht immer über den Krieg nachdenken. Wir müssen auch andere Inhalte entwickeln“, sagt der Lehrer. Und wünscht sich, daß die Kinder einmal ins Schullandheim fahren könnten. Oder daß es Geld gäbe, einmal eine Zeitung herauszugeben. ede