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Familienverhältnisse

■ Morgan Freemans Regiedebüt „Bopha!“ im Panorama

Morgan Freeman ist schlichtweg entwaffnend. Er schätzt Alfre Woodward, nennt Clint Eastwood als Haupteinfluß und macht überhaupt einen ausnehmend sympathischen Eindruck. Schauen Sie in diese umrunzelten, grundgütigen Augen, und erwarten Sie bitte nicht, Schlechtes über diesen Mann zu lesen.

Micah Mangene (Danny Glover) hat es innerhalb der südafrikanischen Polizei bis zum Sergeanten gebracht. Er genießt die Hochachtung seines weißen Vorgesetzten und weiß um die Privilegien, die ihm diese Stellung bietet. „Wir haben ein besseres Leben als alle anderen in dieser Gegend“, rüffelt er seine Frau Rosie (Alfre Woodward), die um das Leben der Familienmitglieder fürchtet. Micah glaubt nicht an Veränderungen; auch sein Sohn Zweli soll später in den Polizeidienst eintreten.

Zu Mangenas Aufgaben gehört die Ausbildung der Rekruten. Er bereitet die jungen Polizisten auf die in den Straßen der Townships übliche Beschimpfung als „Pigs“ vor: er bleut ihnen ein, die Injurie als Ehrenbezeichnung aufzufassen – nach seiner Sprachregelung steht P.I.G. für „pride“, „intelligence“, „guts“ und „glory“.

Als in den umliegenden Townships Unruhen ausbrechen, werden zwei Agenten der „Special Branch“ ins bislang friedliche Moroka entsandt, um oppositionelle Regungen im Keim zu ersticken. Ihrem Auftrag gemäß reagieren die Polizisten mit brutaler Härte, die Auseinandersetzungen eskalieren. Von allen Seiten angefeindet und seiner selbst nicht mehr sicher, muß Micah zur Kenntnis nehmen, daß Zweli auf der anderen Seite der Barrikade steht. Er nennt den Vater einen „trainierten Hund“ und schließt sich dem Widerstand an. Micah kann das Leben des Sohnes retten; es bleibt ihm jedoch nicht erspart, dem Nachgeborenen Handschellen anlegen zu müssen.

Unter dem Eindruck dieser Erlebnisse quittiert Micah den Dienst. Gemeinsam mit Rosie nimmt er an einer konspirativen Trauerfeier für die Opfer der Revolte teil. Aufgebrachte Menschen umringen den verhaßten Kollaborateur, ein Priester eilt herbei, doch es ist zu spät: Micah Mangena hat für seine Naivität und seinen Opportunismus gebüßt.

Diese Geschichte, vorrangig der Konflikt zwischen Vater und Sohn, habe ihn gereizt, verriet Morgan Freeman und bezeichnete sich selbst als unpolitischen Menschen. Es ist schon ein wenig grotesk, wenn sich afroamerikanische Regisseure gegenüber weißen Kritikern rechtfertigen müssen, weil sie unpolitische Geschichten verfilmen. Doch bei „Bopha!“ ist der politische Kontext evident; entgegen Freemans erklärter Absicht vermittelt der Film den Eindruck eines eindeutigen Pamphlets gegen die Apartheid. Der Film zielt auf die Emotionen des Publikums und hat Erfolg damit: „Schweine!“ murmelt mein Sitznachbar mit empörter Stimme angesichts einer besonders drastischen Folterszene.

Von vergleichbaren Filmen unterscheidet sich „Bopha!“ insofern, als hier einmal durchweg Menschen mit schwarzer Hautfarbe im Mittelpunkt stehen. Die schwarze Familie wird als soziales Gefüge gezeigt – keine Selbstverständlichkeit im Hollywood-Film, der noch immer gern Klischeevorstellungen bedient.

Nach moralischen Maßstäben steht Micah Mangene auf der falschen Seite. Mit der Annäherung an diese ambivalente Hauptfigur wird ein heikles Thema angesprochen: die Verantwortung derjenigen, die im Dienste des Apartheidregimes gegen das eigene Volk zu Felde zogen. Nicht minder brisant ist die beiläufig aufgeworfene Frage, ob die grausamen Vergeltungsmaßnahmen der Freiheitskämpfer nicht auch viele Unschuldige trafen.

„Bopha!“ präsentiert keine lupenreinen Helden und makellosen Identifikationsfiguren, sondern schildert Verhältnisse, die für weiße Regisseure aus naheliegenden Gründen tabu sind. Morgan Freeman hat offenbar die richtige Form gewählt für diese komplexe Thematik – dem Vernehmen nach wurde sein Film in Südafrika mit großer Zustimmung aufgenommen. Harald Keller

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