Black Weizsäckerism

■ Blaxploitation und aparte Dokumentarfilme im „Black History Month“

Die Werkstatt der Kulturen in der Neuköllner Wissmannstraße ist ein seltsamer Zwitter. Bis 1975 produzierte hier die Schultheiss- Brauerei ihr bei den Einheimischen so beliebtes Getränk. Anfang der Achtziger konnte nur ein Lieblingsprojekt des damaligen Regierenden Weizsäcker den fortgeschrittenen Abriß des Gebäudes stoppen: Ein Ort der Verständigung zwischen den Kulturen sollte entstehen. Irgendwie sieht man dem inzwischen sanierten Gebäude seinen graumelierten Initiator an. Im zentral gelegenen Restaurant bescheinen gedämpfte Kugelleuchter die multikulturelle Suppe. Rundum ein verwirrendes Labyrinth klinisch weißer Gänge und Treppen. Von den sakralen und feudalen Bezügen, mit denen ein wildgewordener Klassizismus seine Industriebauten ausstattete, zeugt hier fast nichts mehr. Doch auch die beliebte herzlich-rauhe Loft-Atmosphäre will sich nicht einstellen. Die Werkstatt der Kulturen ist vor allem Ausdruck aseptischer Staatskultur.

Im vergangenen Monat war das anders. Da fand hier, (und findet noch bis zum 3. März) wie bereits gemeldet, der „Black History Month 94“ statt. Unter dem Titel „Die Farben Afrikas“ boten etliche kleinere Gruppen ein vielgestaltiges Programm mit Seminaren, Filmen, Workshops und Ausstellungen an. Die Themen reichten von „Polygamie in Afrika“ bis „Black Women in Jazz“ und deckten das ganze Spektrum schwarzer Alltags- und Kulturkultur ab.

Afrika, so legt es das Motto nahe, ist nicht nur ein schwarzer, sondern auch ein bunter, schillernder Kontinent. Ein bißchen zehren davon auch die in Berlin lebenden Afrikaner – sie vor allem (aber nicht nur) sorgten für durchweg gut besuchte Veranstaltungen.

Allzu dogmatisch hatte man den Schwerpunkt Afrika übrigens nicht ausgelegt, das zeigten Dokumentarfilme über Malcolm X, Reggae & Rasta sowie diverse Klassiker des schwarzen US-Kinos. Fred Williamsons Actionreißer „Black Cesar“ (1973) etwa bezeugte die Anfänge afroamerikanischer Integration in Hollywoods Unterhaltungsmaschinerie, Keenan „Ivory“ Wayans „I'm gonna git you sucka!“ (1989) bezeichnete einen vorläufigen Endpunkt dieser Entwicklung. Während Williamson seine Helden noch dem weißen James-Bond-Schema nachbilden mußte, kann Wayans es sich bereits leisten, die schwarzen Super Heroes der Anfangssiebziger zu parodieren – und dennoch Integration zu leisten. Sein Film, wie auch neuere Beispiele „schwarzen“ Kinos, sind Kassenrenner und werden von Hollywoods Major-Companies freudig produziert.

Letztlich scheint das eine wie das andere unabdingbar für zeitgenössisches schwarzes Selbstverständnis, die afrikanischen Roots ebenso wie der US-amerikanische Emanzipationsprozeß. Für die Uninitiierten werden Informationen nachgereicht; daß bei den amerikanischen Black Muslims beide Entwicklungslinien hart kollidieren: Einerseits repräsentieren sie die ersten afrikanischen Auswanderer moslemischen Glaubens. Andererseits stehen sie, mit Führerfiguren wie Malcolm X und, gegenwärtig, Louis Farakhan, für radikale Selbstdurchsetzung, der bisweilen der Ruch reziproker Apartheid anhaftet. Auch Farakhans Thesen wurden beim „Black History Month“ durchaus kontrovers diskutiert, wie überhaupt zwischen den Polen Lebenshilfe und Rassenideologie nahezu alle Schattierungen schwarzer Identität vertreten waren. Nur für zwei Dinge bot die Veranstaltung keinen Platz: wohlfeilen Exotismus. Und aseptische Korrektheit. Steffen Jacobs

„Black History Month“ noch bis 3.3., Werkstatt der Kulturen, Wissmannstraße 31–42.