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Ab heute Warnstreiks im öffentlichen Dienst

■ ÖTV legt Schwerpunkt auf Nordrhein-Westfalen / Auch Postler im Warnstreik / Regierungspolitiker erklären die Streiks für „hellen Wahnsinn“

Bonn (AFP/taz) – Durch massive Warnstreiks mit Schwerpunkt im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen will die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) heute ihren Forderungen im Tarifstreit mit den Arbeitgebern Nachdruck verleihen. Vor allem am Morgen werde der Personennahverkehr vom Niederrhein bis zum Ruhrgebiet betroffen sein, sagte ein ÖTV-Sprecher gestern. Die Warnstreiks, die morgen fortgesetzt werden sollen, waren nach den ergebnislos gebliebenen Tarifgesprächen am Freitag angekündigt worden. Die ÖTV bittet die Bevölkerung um Verständnis für „unvermeidliche Beeinträchtigungen“. In verschiedenen Bundesländern organisierte die Postgewerkschaft bereits am Wochenende Arbeitsniederlegungen. Die ÖTV unterstrich trotz der Streikvorbereitungen ihre Gesprächsbereitschaft.

Die Deutsche Postgewerkschaft teilte mit, nachdem am Samstag rund 200 Postbeschäftigte in Brandenburg vorübergehend die Arbeit niedergelegt hätten, seien am Sonntag Mitarbeiter der Fernmeldeämter in Regensburg, Hagen, Dortmund, Dresden und Erfurt in den Streik getreten. Schwerpunkt der Warnstreiks am Sonntag sei Rheinland-Pfalz. Für den öffentlichen Dienst verlangen die Gewerkschaften Einkommenserhöhungen von vier Prozent, wollen aber Beschäftigungsgarantien darauf anrechnen lassen. Auch im westdeutschen Bankgewerbe soll es in den nächsten Tagen Streiks geben. Zudem beginnt morgen die Streik-Urabstimmung in der niedersächsischen Metall- und Elektroindustrie.

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung signalisierte ÖTV-Vorstandsmitglied Herbert Mai die Bereitschaft, Tarifverträge mit Öffnungsklauseln zuzulassen. Die Arbeitgeber sollten mit den Gewerkschaften an Ort und Stelle vereinbaren können, die Wochenarbeitszeit auf bis zu 32 Stunden zu reduzieren. Die Obergrenze bleibe aber bei 38,5 Stunden in der Woche. Voraussetzung für solche Abmachungen sei die Beschäftigungssicherung. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Hans-Peter Stihl, sagte, ein Metall-Arbeitskampf werde sich nur kurze Zeit auf bestimmte Regionen begrenzen lassen. Die Arbeitgeber würden bei Streiks gezwungen sein, den Arbeitskampf so schnell wie möglich auszudehnen, um ihn abzukürzen. Bedingung für eine Verhandlungslösung sei, daß die IG Metall die Notwendigkeit von Kostensenkungen akzeptiere.

Bundeswirtschaftsminister Rexrodt warnte die Gewerkschaften davor, „den beginnenden Aufschwung kaputtzustreiken“. Er appellierte an die Tarifpartner, sich auf „flexible Abschlüsse“ zu einigen. FDP-Chef Kinkel sagte, Arbeitsniederlegungen wären der „helle Wahnsinn“. Auch die Gewerkschaften hätten die Pflicht, ihre Mitglieder „vor unrealistischen Forderungen“ zu bewahren.

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