Giftzug in Albanien

■ Greenpeace sichert Altpestizide / Minister Töpfer wacht auf

Berlin (taz) – Seit drei Jahren steht im albanischen Baijze ein Geisterzug. Aus 17 Reichsbahnwaggons tropfen Pestizide, die die albanischen Bahnbeamten notdürftig mit Pappen und Folien aufzufangen versuchen. Wer ein Tor öffnet, dem schlagen Giftwolken entgegen: Einige Tonnen sind durchgerostet, andere wurden von Dieben geöffnet, die offenbar auf die Behältnisse scharf waren.

Besonders gefährlich von den insgesamt 217 Tonnen Altchemikalien sind 5.800 Liter Toxaphen, die nur in Glasflaschen mit Korbhülle verpackt sind. Ein einziger Liter kann sämtlichen Fischen in zwei Millionen Kubikmetern Wasser den Garaus machen; nur einen kurzen Fußmarsch vom Bahnhof in Baijze den Hügel hinab liegt ein See – das Trinkwasserreservoir für die Umgebung.

Am Dienstag rückten Greenpeace-AktivistInnen in dem Ort nahe der Grenze zu Montenegro an, um mit der Sicherung der Altpestizide aus DDR-Beständen zu beginnen. 180 Fässer, Bindemittel und Arbeitsgerät haben sie in zwei Lastwagen aus Deutschland mitgebracht. Ihr Ziel ist es, Teile der giftigen Fracht heimzuholen – denn in Albanien können sie nicht sicher entsorgt werden. 8.000 bis 10.000 Mark kostet die Vernichtung einer Tonne, schätzt Greenpeace.

Seit zwei Jahren weiß die Bundesregierung um die Lieferungen von insgesamt 790 Tonnen Altpestiziden nach Albanien. Sie stand aber bisher auf dem Standpunkt, der als „Hilfslieferung“ deklarierte Export der Chemikalien aus Mecklenburg-Vorpommern durch die hannoversche Firma Schmidt- Cretan sei legal gewesen; schließlich lägen Papiere aus dem Abnehmerland vor. Innerhalb Deutschlands gelten die Stoffe als Sondermüll, weil ihr Verfallsdatum abgelaufen ist und sie zum Teil auch verboten sind.

Die Erfahrung mit einer ähnlichen Greenpeace-Aktion in Siebenbürgen, in deren Zusammenhang es ein monatelanges Tauziehen zwischen Bund und Ländern über die Finanzierung gegeben hatte, veranlaßte Umweltminister Töpfer jetzt zu einer zügigeren Reaktion. Er kündigte an, das Material auf Schiffen zurück nach Deutschland zu holen. Bisher hatte die Bundesregierung bei dem Thema immer versucht, sich hinter anderen Giftlieferungen aus der EU zu verstecken. Und im Sommer 1992 hatte der albanische Gesundheitsminister eine abschlägige Antwort von Töpfer bekommen: Das Umweltministerium sei nicht zuständig.

Unklar ist allerdings, ob er alle oder nur einen Teil der Gifte reimportieren lassen will. Immerhin hat der Minister von Greenpeace die Einschätzung übernommen, daß der Zug sowohl aus sicherheitstechnischen wie auch politischen Gründen nicht mehr bewegt werden kann: In die eine Richtung sind die Schienen unterspült, in die andere Richtung liegt Montenegro, und damit UNO-Embargogebiet. aje