O Fallada, da du hangest!

■ Karin Kneffel hat eine Serie von achtzig sehr bösen Tierbildern gemalt - Zusammen mit ihren Flammenlandschaften sind sie jetzt in der Kunsthalle Bremerhaven zu sehen

Eine Bergspitze und Wolken da-rüber. Ein Ort wie von Caspar David Friedrich. Nur der Gipfelstürmer fehlt, der mit dem Rücken zum kunstliebenden Publikum in die himmlische Unendlichkeit schaut. Karin Kneffel, Jahrgang 1957, Schülerin von Gerhard Richter, räumt dem Menschen keinen Platz für schöne wolkige Aussichten ein. Der felsige Gipfel ist unbetretbar, unter dem glühenden Gestein schwelt das Feuer. Das großformatige Ölbild (2x2 m) – das sich im Besitz der Düsseldorfer Provinzial-Versicherung befindet – hängt zur Zeit neben anderen Bildern aus Karin Kneffels „Feuer“-Serie in der Kunsthalle Bremerhaven.

Da verwandeln lodernde Flammen einen Schuppen in ein verkohltes Holzgerippe („Feuer I“, 1991). In „Feuer II“ ist eine Wolkenwand am Horizont zu sehen. Dahinter sind die Flammen fast völlig verborgen, aber über dem grünen Feld im Vordergrund liegt schon ein dunkler Schatten. Ein weiteres Feuer legt Karin Kneffel im (deutschen?) Wald. Im Gewand realistischer Malweise, mit dem Duktus des traditionell Kunstschönen, zerstört die Malerin romantisches Naturgefühl und romantische Kunstlandschaften.

So erschreckend realistisch wie das Feuer züngelt, so plastisch und tiefenscharf sind die Früchte, die sie in einer Serie von kleinformatigen Aquarellen (auf handgeschöpftem Büttenpapier) übergroß vor unsere Augen hängt. Die verschiedenen Beeren, die Äpfel, Kirschen und Pfirsiche, die im saftiggrünblättrigen Gezweig hängen, fordern zum Pflücken heraus, und die glasklaren Wassertropfen auf einem grün-grünenden Apfel wollen geradezu weggewischt werden.

Dieses ironische Spiel mit dem übersteigerten Realismus wird zur hintersinnigen List bei der bösesten Serie der Ausstellung: Von einer einzigen Wand blicken 80 Tierköpfe auf den überraschten Betrachter. Karin Kneffel hat sie in kleinste Formate (20x20 cm) gebannt. Die meist im Seitenprofil porträtierten Schafe, Hühner, Ziegen und Kühe schauen aus großen oder kleinen Augen verpennt, ängstlich, blöd, aufmerksam, freundlich, arglos - wie wir es von gemalten Menschen schon lange nicht mehr kennen. Es sind ausnahmslos „Nutztiere“, deren Ende die Schlachtbank ist. Aber das wissen die menschelnden Tiere ebensowenig, wie die seit der Renaissance porträtierten privilegierten Menschen von ihrem Ende wußten, das häufig nicht minder schrecklich war.

Das liebe Vieh in klassischer Porträt-Malerei: Was vordergründig wie die Neuauflage eines betulichen Realismus wirkt, ist eine kühle und lakonische Verkehrung der Welt. Jetzt schauen uns von der Leinwand herab die Tiere an. Sprechen sie zu uns oder schweigen sie? Hans Happel

Kunsthalle Bremerhaven, bis zum 13. März. Di-Fr 14-18 Uhr, Sa/So 11-13 Uhr