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Mexiko hofft auf Transparenz bei den Wahlen

■ Einigung von Regierung und Zapatistas bringt Wahlreform wieder auf den Tisch

Mexiko-Stadt (taz) – Als politische Traumtänzerei hatten selbst sympathisierende BeobachterInnen die Maximalforderung der Zapatistas nach Rücktritt des „illegalen Staatspräsidenten“ Salinas und „Bildung einer Übergangsregierung“ abgetan. Im zehntägigen Gesprächsmarathon von San Cristóbal aber hatte der gewiefte Verhandlungsführer der Zapatistas, Marcos, dann zur allseitigen Überraschung eine gangbare Kompromißformel parat: tiefgreifende Reformen des Wahlgesetzes, um die Wahlkampagnen und die Auszählung der Wählerstimmen am 21. August so demokratisch und gleichberechtigt wie möglich zu gestalten.

Zwar waren diese Forderungen nicht direkt Gegenstand der Verhandlungen. Aber die Botschaft wurde auch in der Hauptstadt verstanden. Bis vor zwei Monaten war dort das Thema Wahlreform selbst von OppositionspolitikerInnen resigniert zu den Akten gelegt worden. Doch am Tag der Bekanntgabe der Verhandlungsergebnisse in San Cristóbal kündigte dann die Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, María de los Angeles Moreno, an, daß „noch in diesen Tagen“ außerordentliche Sitzungen zum Thema einberufen würden.

Vor allem die linke PRD hatte schon sein längerem unabhängige Überwachungsinstanzen des Wahlprozedere gefordert: Das bislang noch von der Regierungspartei PRI (Partei der institutionalisierten Revolution) dominierte Bundeswahlinstitut soll durch parteilose, aber anerkannte Persönlichkeiten besetzt werden, und die Wahlregister, -ausweise und -listen sollen überprüft werden, da bei vergangenen Wahlen eine nicht unbedeutende Zahl von potentiellen Wählern ihrer „Bürgerpflicht“ auf die eine oder andere Weise enthoben wurde. Als ersten Schritt in eine wahrhaft transparente Wahlkür richtete die Bundesstaatsanwaltschaft schon mal vorsorglich eine neuartige Abteilung ein: die „Staatsanwaltschaft für Wahl(fälschungs)delikte“.

Absolute Glaubhaftigkeit der Wahlen ist gefordert

Mehr noch als der künftige Wahlgewinner stehen derzeit die demokratischen Spielregeln selbst im Mittelpunkt der Debatte. Wie drückte es der Schriftsteller Carlos Fuentes so treffend aus: „Die Wahlen müssen so absolut glaubhaft sein, daß man den Hochrechnungen sogar glauben würde, wenn sie den Sieg von Luis Donaldo Colosio verkünden sollten.“ Und das will einiges heißen: So blaß wie der PRI-Kandidat schaut derzeit kein anderer aus. – Aber auch die linksliberale PRD-Opposition kann nicht einfach als Nutznießerin der ChiapasKrise angesehen werden. Nach allgemeiner Einschätzung überschritt der Aufruhr bei weitem die parteipolitischen Grenzen – auch die zwischen Opposition und Regierungskräften. So habe auch die Cardenas-Partei durchaus Grund zur Selbstkritik – merkt der Politologe Jorge Castañeda im Gespräch mit der taz an –, schließlich habe es der Cardenismus nicht geschafft, „genügend Leute davon zu überzeugen, daß der legale Weg über Wahlen möglich und sinnvoll ist“.

Auch in Chiapas selbst wurde die politische Landschaft kräftig durcheinandergewirbelt: In dem Bundesland, das bis vor kurzem als eines der autoritärsten Regime des Landes galt, kommen bislang unerhörte Begriffe wie „plurale Politik“ in Mode oder gar das Wort „Koregierung“, womit ein Zusammengehen der „institutionalisierten Revolutionäre“ mit den links- und rechtsliberalen Oppositionsparteien PRD und PAN gemeint ist. Freimütig gibt der neue chiapanekische PRI-Vorsitzende Gerardo Pensamiento in seiner Antrittsrede Mitte Februar zu, daß „unsere Partei in diesen Tagen eine Glaubwürdigkeitskrise durchlebt“. Und das in einem Bundesstaat, der als eine traditionelle PRI-Hochburg gilt: Bei den letzten Wahlen hatten, nach offiziellen Zahlen, fast 90 Prozent für die Staatspartei gestimmt. In acht Wahlbezirken – darunter ausgerechnet San Cristóbal, Ocosingo und Las Margaritas, allesamt Zentren des Januar-Aufstandes – war der PRI-Anteil sogar auf traumhafte 97 Prozent geklettert. Und in manchen Ortschaften, so berichten VertreterInnen von Indianerorganisationen, sogar auf 105 Prozent...

Die traditionelle Politikverdrossenheit der MexikanerInnen wird angesichts des seit langem übermächtigen PRI-Apparats nicht so schnell verschwinden: So sind nach einer Umfrage der Zeitschrift Este País 40 Prozent der MexikanerInnen davon überzeugt, daß bei den nächsten Wahlen wieder „geschummelt“ wird. Zugleich heißt es, um die 60 Prozent verspürten irgendeine Art von Sympathie für die EZLN-RebellInnen.

Sollte an die Stelle der vereinbarten politischen Transformation ein wie auch immer gearteter „Deal“ treten, mit dem sich die PRI aus der Krise zu retten sucht, könnte das womöglich erneut den Frieden gefährden. Vor der Alternative „saubere Wahlen oder brennendes Land“ warnt zur Zeit nicht nur Subcomandante Marcos. Anne Huffschmid

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