Abgasnorm hausgemacht

■ Autokonzerne gegen EU-Parlament

Berlin (taz) – Die europäische Autoindustrie versucht, ihre Abgasnormen am Europaparlament vorbei selbst zu setzen. Die Konzerne, allen voran BMW, reagieren gereizt auf den Versuch des Europäischen Parlamentes, die von Industrie und EU-Kommission abgesprochenen Grenzwerte für Autoabgase zu verschärfen.

Ab 1996 sollen nach dem Willen der ParlamentarierInnen in der EU für krebserregende Dieselrußpartikel und Kohlenwasserstoffe niedrigere Grenzwerte eingeführt werden als die Kommission und der Ministerrat wollen. Und diese sollen 1999 noch einmal deutlich verschärft werden.

Die vom EU-Parlament verlangten Grenzwerte entsprechen zwar denen des Bundesumweltministeriums. Das schert die deutsche Autoindustrie aber wenig. Die vom Parlament geplante Verschärfung lasse „eine Beeinträchtigung der zwischen der Kommission, der Automobilindustrie und der Mineralölindustrie abgestimmten Vorgehensweise zur weiteren Emissionsreduzierung befürchten“, heißt es beispielsweise in einem Brief von BMW an deutsche Europaabgeordnete. Wenn die zwei Jahre alten Absprachen zwischen EU-Bürokratie und Industrie über den Haufen geworfen würden, führe das zu „negativen Auswirkungen auf Absatz und Beschäftigungssituation“, droht der Konzern in dem Brandbrief.

Doch die gewählten Europa- ParlamentarierInnen wollen sich nicht einschüchtern lassen. In erster Lesung hatten 200 Abgeordnete für niedrigere Grenzwerte gestimmt und nur 18 dagegen. Kurt Vittinghoff, sozialdemokratischer EU-Abgeordneter und Autor des Parlaments-Konzepts, will auch bei der zweiten Lesung heute nicht nachgeben. „Wer das Auto retten will, muß die Grenzwerte so scharf machen wie eben möglich.“ Vittinghoff prophezeit den Konzernen, sonst werde es bald nicht mehr um Abgasgrenzwerte gehen: „Dann kommt der Angriff auf das Auto selbst.“ Der von EU-Kommissar Martin Bangemann und der Industrie ausgearbeitete und vom EU-Ministerrat abgesegnete Entwurf sei einfach zu lasch.

Der Dachverband der Europäischen Autoindustrie (ACEA) sieht das anders. Er hatte 1993 in einer Broschüre eine „Konsolidierungsphase von 10-20 Jahren“ für neue Autoabgas-Standards gefordert. Ohne eine solche Ökopause werde die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Autoindustrie gefährdet. ten