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Blut, Gebete und ein Hauch von Ben Hur

■ Europäer verlieren Wandsbeker Kick-Box-Gala gegen die Experten aus Thailand klar mit 1:4

Die thailändischen Fans haben die Wandsbeker Sporthalle fest im Griff. Mit lauten Schreien feuern sie die Kämpfer an: „Jieeehhhakh!“, tönt es grell durch den halb gefüllten Innenraum an der Rüterstraße.

Im Ring stehen sich zwei Kämpfer gegenüber. Sie belauern sich. Ihre eingeölten Körper glänzen im Licht der Scheinwerfer. Zwischen kurzen Sporthosen, Boxhandschuhen und Knöchelbandagen ist viel nackte Haut zu sehen. Tänzelnd versuchen sie eine Lücke in der Abwehr des Gegners zu finden. Plötzlich tritt Pisetlek Sakchaisit zu. Der Thailänder trifft Fahrid - hinter diesem Künstlernamen verbirgt sich ein drahtiger Holländer - am Oberschenkel. Laute Beifallsschreie. Wieder landet ein Kick am Oberschenkel. Die Haut verfärbt sich blaurot. Jetzt geht's richtig los: Mit gesenkten Köpfen stürzen beide aufeinander zu, umschlingen sich mit den Armen, stehen Körper an Körper direkt an den Seilen. Sie stoßen sich gegenseitig die Knie an den Oberschenkel, gegen Bauch und Hüfte. Schließlich lösen sich die Männer wieder voneinander. Fahrid muß einen Tritt gegen den Kopf einstecken. Er blutet über dem Ohr. Der Ringrichter unterbricht den Kampf, die Wunde wird behandelt und platzt doch sofort wieder auf. Blut rinnt über Fahrids Hals und linken Arm. Bald ist auch Pistlek Sakchaisit mit dem Blut Fahrids beschmiert.

Eine blonde Frau auf der Tribüne hält sich die Hände vor das Gesicht, ballt sie dann zu Fäusten und kämpft innerlich mit. In ihrem Gesicht mischen sich Mitleid und Faszination. Ekel vor dem Blut scheint sie nicht zu empfinden.

Fahrid versucht nur noch, sich den Thailänder vom Leib zu halten. Auf dem Boden des Ringes mischen sich seine Blutstropfen mit dem Wasser, das bei den kraftspendenden Pausenduschen auf den Ringboden rann. Auch das weiße Hemd und die schützenden Gummihandschuhe des Ringrichters sind blutverschmiert.

„Hau ihm auf die Schnauze“, brüllt ein sonnengebräunter Anzugträger in Cowboystiefeln. Im Ring versucht Fahrid nur noch die Tritte und Schläge seines thailändischen Gegners abzuwehren, um dem drohenden Knockout zu entgehen. Er rettet sich bis zum letzten Gong.

Es folgen vier weitere Kämpfe, in denen sich Thailänder und Europäer gegenüberstehen. Präsentiert wird jeder Kämpfer vom Hallensprecher, der die Namen genüßlich auf der Zunge zergehen läßt: Vicharn Chor Rojanachai beispielsweise wird zu Rojanachaaaaiiijjjjhhh. Die Einmarschmusik dröhnt aus den Lautsprechern. Rauch steigt auf, durch den die Kämpfer einmarschieren - Ben Hur läßt grüßen.

Die Thailänder schwenken vor jedem Kampf ihre Fahne im Ring und knien in der Mitte zum Gebet nieder. Göttlichen Zuspruch benötigte indes eher das europäische Team. Es unterlag der Equipe aus Thailand am Ende deutlich mit 1:4.

Nachdem sich die meisten thailändischen Fans verabschiedet haben, treten die einzigen Frauen der Gala an: Natali de Rossi aus Hamburg und Christiane Jao aus Duisburg. Obschon Christiane Jao ein paar Kicks im Bauch ihrer Gegnerin plazieren kann, erinnert der Kampf der Frauen an eine eher harmlose Straßenrauferei.

„Scheiß Frauen“, ist der trockene Kommentar eines älteren Herren aus Mecklenburg, der direkt am Ring sitzt. Er ist ein bekennender Anhänger der härteren Gangart. Nach drei Runden hat Natali de Rossi verloren: „Ich war zu aufgeregt, aber es war ja auch erst mein zweiter Kampf“, sagt sie später. Beim anschließenden Fullcontact-Fight kommen die Fans wieder auf ihre Kosten. In der ersten Runde wird Ralf Hogensohn (Bushido Hamburg) von einem Fußtritt an den Kopf getroffen und bleibt benommen liegen. Seine Beine zucken. Der Kämpfer ist für eine Minute nicht ansprechbar, er schlägt nach den Betreuern. Als er schließlich wieder steht, bricht er den Kampf ab und steigt aus dem Ring.

Es folgen noch drei weitere Kämpfe nach bewährt brutaler Art, dann ist die Thai-Kick-Box-Gala zu Ende.

Norbert Lilienthal

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