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Ich will auch wehtun

■ Studentinnen der Hochschule für Künste zeigen „Gewaltige Frauen“ zum Frauenkulturstreikfest im Schlachthof: Kein Klagelied

Das Thema Frauen und Gewalt, das bedeutete für Almuth Bölitz von Anfang an: „Ich mache etwas zu meiner eigenen Gewalttätigkeit.“ Auf ihren Fotos zeigt sie schemenhaft zwei rangelnde, geschlechtslose Menschen, die von den üblichen bewegungslosen Opfern weit entfernt sind. „Ich würde mir wünschen, mich noch mehr und öfter wehren zu können“, sagt Almuth Bölitz. „Denn ich will anderen Menschen auch wehtun.“

Studentinnen der Fotografie, der Malerei und der Mode von der Bremer Hochschule für Künste hatten sich spontan zusammengefunden, als letztes Jahr Gabi-Grete Kellerhoff vom DGB ihre Idee kundtat, in Bremen den bundesweiten Frauenstreik mit einem Kulturfest zu begleiten (siehe auch nebenstehenden Kasten). Das alte und aktuellste Thema hatte frau sich dazu vorgenommen, das allen gleichermaßen an die Nieren geht, sie wütend macht, das jede aber gleichzeitig auf ganz individuelle Art erfährt: Gewalt. Die Frauen wollten jedoch kein Klagelied erheben, sondern sich aus der Ohnmacht befreien und die (eigene) Betroffenheit von der Seele holen. Der Streikfest-Arbeitstitel Frauen und Gewalt mutierte symptomatisch zu den prospektiven Gewaltigen Frauen.

Ein Entwicklungsprozeß, den auch die acht Fotografiestudentinnen durchlaufen haben. Im Schlachthofturm zeigen sie, ergänzend zum Fest in der Galerie, ihre Assoziationen, und diese sind so ähnlich und unterschiedlich, wie sie nur irgend sein können.

Kopflos, anonym und übertragbar stellt zum Beispiel Tatjana Boehme ihre Alltags-Beobachtungen dar. Ein Fettwanst mit seiner Illustrierten und den Puschen auf dem Tisch wartet auf Abfütterung – durch die kochende, tischdeckende und spülende Dienerin. Auch wenn diese Situation einen vielleicht altertümlichen (überholten?) Charakterzug hat: Tatjana Boehme sieht sie als Symbol für die weibliche Unterwerfung und Abhängigkeit: „Frau kann da nicht raus und hat nicht die Freiheit, sich zu entfalten.“

Lebenslänglich – hätte Andrea Lühmann dem Vater der Protagonistin ihrer Bilder gewünscht, der die inzwischen 30jährige als Kind sexuell mißbraucht hat. Sie dokumentiert den Kampf der Frau, die bereits als Jugendliche begonnen hatte, sich innerlich aufzubäumen und sogar den Mut fand, gegen den eigenen Vater zu prozessieren. Nur zweieinhalb Jahre mußte dieser büßen, und das Leid der Tochter findet weder Anfang noch Ende. Wie das Bilderpuzzle von Andrea Lühmann, die nicht müde wird, zu betonen, sie habe nur versucht, das alles umzusetzen. Sie zeigt Kinderfotos, das Türschloß des Kinderzimmers, die drohende Zuflucht im Alkohol, und immer wieder die schreiende, kämpfende Frau.

Keine der Fotografinnen konnte und wollte sich von dieser Arbeit emotional abgrenzen. Und allen ist klar, daß die eigene Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt mit der Ausstellung eigentlich erst begonnen hat. Martina Buchholz hat gar eine Endlos-Serie im Kopf. Mit den Angsträumen der Frauen konfrontiert sie uns, mit großformatigen, düsteren Tiefgaragen, Unterführungen, Einkaufspassagen. All' diese hat sie selbst live erlebt, durchschritten und durchlitten. „Wir dürfen uns mit diesen Sachen einfach nicht alleinlassen“, sind sich die Künstlerinnen einig.

Noch eine soll in diesem gewaltigen Ambiente nicht unerwähnt bleiben: Denn steigt frau im Schlachthofturm noch ein paar Treppen höher, begegnet sie Medea. Die Frau, die durch Gewalt zur Mörderin wird, die sich mit Gewalt das eigene Liebste entreißt. Hannah Kotrc und Petra Fiebig haben sich dem Mythos in Kohlezeichnungen, Mischtechniken und Acrylmalerei auf Papier und Holz genähert; sie erzählen vor allem von Medeas Zerrissenheit und Explosionskraft. Silvia Plahl

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