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Schröder beschwört Kontinuität

■ In Niedersachsen hat am Sonntag ein klares Votum für Rot-Grün der bisher erfolg- reichsten rot-grünen Koalition ein Ende bereitet – da half auch kein grünes Eigenlob

Dem Dank an den Wähler folgte der Dank an den grünen Partner – der nun nicht mehr gebraucht wird. Ministerpräsident Gerhard Schröder sprach gestern im Landtag in Hannover von „vier erfolgreichen Jahren mit den Grünen“, zollte dem Koalitionspartner noch einmal „großen Respekt“ und meinte, er blicke keineswegs im Zorn auf die vier Jahre rot-grüne Koalition zurück. Im gleichen Raum des Landtagsneubaus sprach kurze Zeit später der Landesvorstandssprecher der Grünen, Gerhard Kiehm, davon, daß „Bündnis 90/ Grüne ohne Zweifel die Sieger dieser Wahl sind“. Aber sie seien durch die Wahlarithmetik eben doch „technisch k.o.“ gegangen, wie es die scheidende Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen, Thea Dückert, ausdrückte.

In Niedersachsen hat am Sonntag ein klares Wählervotum für Rot-Grün der bisher erfolgreichsten rot-grünen Koalition ein Ende bereitet. Da half es am Ende wenig, daß Fraktionschefin Dückert „sehr stolz“ war „auf das Wahlergebnis, weil sich unsere Arbeit in der Regierung ausgezahlt hat“. Bis Ende Juni – solange läuft die alte Legislaturperiode durch den sehr frühen Wahltermin noch weiter – wollen beide Seiten, SPD und Grüne, die vor vier Jahren vereinbarte Politik noch fortsetzen, wollen das Landesgleichstellungs- und etwa auch das Psychiatriegesetz noch durch den Landtag bringen.

Natürlich können die niedersächsischen Bündnisgrünen ihr Eigenlob auf die reinen Zahlen stützen. Sie haben am Sonntag mit 7,4 Prozent ihr bestes Wahlergebnis überhaupt erzielt, werden erstmals 13 Abgeordnete in den niedersächsischen Landtag schicken, und vor allem haben sie weit mehr zugelegt als die SPD. Der nun bald scheidende Bundesratsminister Trittin wird dabei durch sein persönliches Wahlergebnis geradezu entschädigt. 23 Prozent der Zweitstimmen erzielten die Bündnisgrünen in Trittins Göttinger Wahlkreis, weitere zweistellige Ergebnisse konnten sie in Hannover, in Thea Dückerts Oldenburger Wahlkreis und im Kreis Lüchow-Dannenberg erzielen.

Trittin sieht allerdings schwierige Zeiten auf Niedersachsen und auch auf einen Ministerpräsidenten mit der absoluten Mehrheit zukommen. Die SPD-Fraktion werde sehr viel mehr „von Männern und kommunalen Mandatsträgern geprägt sein, von denen jeder dann glaubt, persönlich die Ein-Stimmen-Mehrheit in der Tasche zu haben“, bemerkte der Bundesratsminister gestern. In der neuen SPD-Fraktion, deren Mitglieder allesamt direkt gewählt wurden, sinkt in der Tat der Frauenanteil auf gut 22 Prozent. Thea Dückert befürchtete gestern, daß in der niedersächsischen Verkehrspolitik künftig weniger auf den öffentlichen Personennahverkehr gesetzt wird, weil es gerade in diesem Punkt mit der SPD schon in der Vergangenheit immer Schwierigkeiten gab. Dückert, jetzt ohne Mandat, will in der Landespolitik bleiben. Sie wird sich noch auf einem der grünen Parteitage dieses Jahres um den Posten der Landesvorstandssprecherin bewerben. Auch dies hängt mit dem Wahlergebnis zusammen. Denn wenn auch alle den Erfolg loben: Hinter vorgehaltener Hand sind viele aus der Spitze der Partei der Überzeugung, daß am Sonntag noch mehr drin gewesen wäre, wenn der Wahlkampf nicht so halbherzig begonnen hätte, wenn gerade die persönlich ambitionierteren Landesvorstandsmitglieder sich in der Vergangenheit nicht so oft als parteiinterne Opposition gegen grüne Abgeordnete und Minister profiliert hätten.

Das geradezu väterliche Lob allerdings, das Schröder gestern den Grünen spendete, ist so ganz uneigennützig nicht. Er könnte eben doch schon im Verlauf der nächsten vier Jahre auf Bündnis 90/Die Grünen angewiesen sein. „Ich habe die Hoffnung, daß wir das vier Jahre mit der Einstimmen- Mehrheit schaffen, aber sicher sein kann man sich in der Politik nie, und schon gar nicht in der niedersächsischen“, sagte der Ministerpräsident gestern und spielte damit auf die Überläufer und Fraktionswechsler an, die der niedersächsische Landtag aus der Vergangenheit durchaus kennt. Perspektivisch ist der Ministerpräsident gegen eine weitere Erhöhung der Mineralölsteuer, hat für die nächsten vier Jahre „den Ehrgeiz, die deutsche Automobilindustrie näher zusammenzubringen“, und versprach, in der Atompolitik „auch weiterhin den nötigen Streit mit dem Bundesumweltminister“ zu führen. Schröder beschwor also gestern die politische Kontinuität, aber das besagt wenig bei einem Mann der schnellen Entschlüsse. Auch darauf, daß es künftig bei dem bisherigen Zuschnitt der niedersächsischen Kabinettsressorts bleibt, wollte sich Schröder gestern keinesfalls festlegen lassen. Die bisherige bündnisgrüne Frauenministerin will er jedoch keinesfalls in sein künftiges SPD-Kabinett übernehmen. Diese Spekulation wurde gestern von Schröder wie von Waltraud Schoppe, die in die Bundespolitik wechseln will, als das behandelt, was sie von vornherein war: eine Zeitungsente eines Hamburger Nachrichtenmagazins. Jürgen Voges, Hannover

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