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Fiasko für Kleemann

Eigentlich sollte es ein eher privater Termin mit Ignatz Bubis werden. Die Schüler der Spandauer Martin-Buber-Gesamtschule hatten den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden Deutschlands geladen, um mit ihm über den Film „Schindlers Liste“ zu sprechen. Doch Schulsenator Jürgen Kleemann (CDU) bekam Wind von der Sache. Flugs lud er Schüler, Lehrer, Bubis und Medienvertreter in den Filmpalast. Umringt von fünf Kamerateams, begann die anschließende Diskussion zunächst zäh. Die Schüler, noch völlig beeindruckt vom Film, verlasen verschüchtert ihre vorformulierten Fragen. Andächtig hörten sie Bubis Plädoyer für mehr Menschlichkeit an. Bis einige Schüler die Chance wahrnahmen, ihrem Schulsenator auf den Zahn zu fühlen. Waren es nicht die CDU-Politiker, die Rechtsradikalismus schürten, indem sie die Asylfrage zum Wahlkampfthema erhoben? Kleemann lavierte: Schön sei es, daß solche Dinge im Schulunterricht durchgenommen werden, wich er aus, „nicht wahr, Herr Bubis“. Doch der Zentralratsvorsitzende spielte nicht mit. „Die Politiker haben das Klima gefördert, das wir nun alle beklagen.“ Kleemann begann zu schwitzen. Das sei nicht der richtige Ort für eine solche Diskussion, fand er.

Die Schüler jedoch ließen sich auf diesen Befriedungsversuch nicht ein. Sie lachten ihren Schulsenator aus. „Das ist Ihnen wohl zu peinlich?“ schallte es gar nicht mehr artig von den Rängen. Kleemann versuchte, die Verantwortung auf alle Parteien abzuschieben, und verstieg sich schließlich dazu, von reichen Asylsuchenden zu sprechen, die hier nur in der Hängematte liegen wollten. Das ging zu weit: „Nachsitzen!“ schrie eine Schülerin, „das ist ja peinlich“, jaulten andere und schlugen die Hände über dem Kopf zusammen, „Sie entlarven sich ja selbst.“ Auch Bubis hielt sich nicht mehr zurück. Es sei die Verantwortung von Politikern, sich rechtsradikalen Tendenzen in der Gesellschaft entgegenzustellen, statt sie aus wahltaktischem Kalkül aufzugreifen, teufelte er gegen Kleemann. Nicht einmal Kleemanns Untergebene wollten ihren Senator retten: „Wir dachten, die Redebeiträge sollten unsere Schüler ermutigen, sich später selbst einmal in der Politik zu engagieren“, sagte Peter Mengel, Lehrer für Politische Weltkunde. Kleemanns Auftritt sei eher als Entmutigung zu verstehen.Michaela Schießl

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