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Sprechstunde im Stehcafé

■ Seit einem halben Jahr sitzen DVU und Reps in den Parlamenten einiger Bezirke / Simple Rechnung: Fraktionsstatus gleich Kohle von Thomas Berndt

Aus den Hamburger Radios tönte im September letzten Jahres Urwaldgebrüll: „Asyl, Asyl, ich werde verfolgt. Tarzan ist hinter mir her. Gebt mir Asyl!“ Noch ein markanter Schrei, und dann erklärte eine holprige Stimme: „Scheinasylanten lassen sich die tollsten Lügengeschichten einfallen. Sie wollen bei uns abkassieren.“ Doch auch wer dabei sein Radio entsetzt abgeschaltet hatte, war vor dem rechtsradikalen Wahlkampfgetöse der Deutschen Volksunion (DVU) nicht sicher. Am Abend hetzten die braunen Stimmenfänger im NDR-Fernsehen ungeniert weiter: „Timbuktu den Afrikanern, Istanbul den Türken, doch Hamburg muß deutsch bleiben“.

Auf das Gebrüll folgte der Katzenjammer der etablierten Parteien am Wahlabend: DVU und Republikaner erkämpften zusammen fast acht Prozent. Soviele Hamburger hatten seit 1945 noch nie ihr Kreuz rechtsaußen gemacht. Zwar gelang weder DVU noch Republikanern der Sprung ins Rathaus, doch bei der Wahl zu drei Bezirksversammlungen nahmen sie die Fünfprozenthürde. In Bergedorf zogen zwei DVU-Abgeordnete in das Bezirksparlament, in Mitte und Harburg mußten für jeweils drei Republikaner die Stühle gerückt werden.

Rund sechs Monate später, Zeit für eine erste Bilanz. Wer sitzt für die rechtsradikalen Parteien in den Bezirksgremien? Sind die Vertreter von Frey und Schönhuber lokalpolitisch kompetent oder beschränkt sich ihr Horizont auf ausländerfeindliche Parolen?

Die Bergedorfer DVU schmiedet ihre Politik zwischen Stammtisch und Glücksspielautomaten im „Bremer Schlüssel“. Die Hinterstube der schlichten Eckkneipe, in der vor Jahren auch alte Nazi-Märsche aus der Musikbox tönten, dient als „Fraktionsbüro“. Dort tagen die „Schlüssel“-Wirtin Ursula Winkler (55) und der Kraftfahrer Ingolf Groetschel (28).

Ursula Winkler ist zwar kein DVU-Mitglied, dafür aber seit 20 Jahren in der NPD zu Hause. Da man sich in diesen Kreisen kenne, erklärt Winkler zögernd, sei sie bei der Hamburger Wahl für die DVU nominiert worden: „Jemand aus der Münchner Zentrale hat mich angerufen und gesagt, sie brauchen einen Kandidaten. Da hab ich gesagt, O.k. , mehr nicht“. An politischen Überzeugungen verbirgt sich wenig hinter den Statements der strohblonden Wirtin, die in den Tageszeitungen nur die Überschriften liest. Ausländerfeindlichsei sie keineswegs, erklärt Ursula Winkler hastig. Schließlich habe sie elf Jahre beim Chinesen gearbeitet, nur jetzt muß ein bißchen kürzer getreten werden: „Im Restaurant arbeitete damals ein Neger, der hat überall Geld gekriegt. Da muß doch der deutsche Staat mal was machen!“

Die sogenannte „Ausländerpolitik: Scheinasylanten raus“ ist der einzige ihr bekannte DVU-Programmpunkt. Nach weiteren Positionen ihrer Partei befragt, wehrt sie unsicher ab: „Ich weiß auch nicht. Ich bin zu nervös. Gleich kommen die Skatbrüder.“

Ähnlich ist das Weltbild ihres Kollegen Ingolf Groetschel gestrickt. Er war schon als 16jähriger zur DVU gestoßen. Die Partei sei damals eine „Art Anschauungssache“ gewesen. „Ich denk' mir immer, es gibt einfach zwei Grundeinstellungen: Links und Rechts. Und irgendwie schein' ich von Anfang an in die rechte Richtung tendiert zu haben. Ein politisches Motiv war es damals nicht, sondern rein gefühlsmäßig.“

Anfangs wurde den beiden DVUlern der Fraktionsstatus und die damit verbundenen Gelder verwehrt. Obwohl zwei FDP-Abgeordneten in der vergangenen Legislaturperiode der Fraktionsstatus eingeräumt worden war, setzte die Mehrheit der Bezirksversammlung kurzerhand die Zahl der dafür nötigen Abgeordneten von zwei auf drei nach oben. Diese Benachteiligung wollten sich Winkler und Groetschel, die 5,6 Prozent der Bergedorfer vertreten, nicht bieten lassen. Mit dem juristischen Beistand der Münchner Partei-Zentrale, wo die Klageschrift formuliert wurde, zogen sie vor Gericht. Mit Erfolg. Seit dem Urteil der Verwaltungsrichter erhalten beide zusammen knapp 5000 Mark pro Monat und können zusätzliche DVU-Mitglieder in diverse Fachausschüsse entsenden. Die Freunde einfacher Lösungen stellen auch hier eine simple Rechnung auf: Fraktionsstatus gleich Kohle.

Die Fraktionszuschüsse aus dem Säckel der Bergedorfer Steuerzahler, die laut Geschäftsordnung der Bezirksversammlung an die Arbeit der Fraktion gebunden sind, investiert die DVU weder in ein Fraktionsbüro noch in die Lokalpolitik. Ein Teil des Geldes fließt nach München, in die Kassen des millionenschweren DVU-Chefs Gerhard Frey, wie Groetschel unverblümt zugibt. Die Zentrale habe schließlich rund zwei Millionen Mark in den Wahlkampf investiert und stehe den frischgebackenen Bezirksabgeordneten „mit Rat und Tat“ zur Seite. „Ich kann daran nichts, aber auch gar nichts Verwerfliches finden“, betont Groetschel.

Ein Fraktionsbüro der Rechtsradikalen in Bergedorf ist auf längere Sicht nicht zu erwarten. Nachdem keine Bank ein Konto für die Partei eröffnen wollte und sie schließlich in der Post einen Geschäftspartner fand, bezweifelt Groetschel, jemals einen Vermieter für die DVU zu finden. „Naja, um ehrlich zu sein, selbst wenn wir ein Büro hätten, würde uns das schnell in Klump und Asche geschlagen.“ Ursula Winkler hält derweil ihre „Bürger-Sprechstunden“ im Stehcafe bei Eduscho ab. Sie sei ja mittlerweile stadtbekannt, erzählt sie nicht ohne Stolz, und da kämen auch schon mal Polizisten oder Finanzbeamte auf sie zu und sagten: „Gut, daß ihr da mitmischt.“

Weniger Sympathie schlägt den DVU-Abgeordneten in der Bezirksversammlung entgegen. Zuerst mußten sie an einem kleinen „Katzentisch“ rechts außen Platz nehmen. Mittlerweile sind sie an den rechten Rand der CDU herangerutscht. „Ich komme mit der CDU sehr gut aus. Die reden wenigstens mit uns. SPD, Statt-Partei und Grüne kann man vergessen. Die gucken uns noch nicht mal an.“ Tatsächlich wollen die Grün-Alternativen von der „Nazi-Partei“ nichts hören. GAL-Beschluß ist, sich mit Winkler und Groetschel politisch nicht zu befassen, sagt Fraktionschefin Ulrike Kirschner. Am liebsten würde man die DVU mundtot machen und ihnen das Recht absprechen, ihre Anträge zu begründen. Die CDU sorgt sich derweil um ihren rechten Rand. Dort müsse man sauber bleiben und sich von der rechtsradikalen Kneipenwirtin und ihrem Taxifahrer absetzen, sagt Klaus Daur von der CDU. Andererseits sei die DVU keine verbotene Vereinigung und demokratisch gewählt. Auf Distanz geht auch die Bergedorfer SPD, doch solange die DVUler sich anständig verhalten, seien sie „normale Abgeordnete“.

Vor den Anträgen der DVU haben die etablierten Parteien weniger Angst. Außer für ihren Fraktionsstatus, traten Winkler und Co. bis heute nur mit zwei Anträgen auf. Sie forderten in einem Dreierpack-Antrag einen Kinderbeauftragten, die Zählung der Bergedorfer Obdachlosen und eine Tempo-Dreißig-Begrenzung der Bergedorfer Straße. „Ein völlig unsinniger Antrag. Das ist auf einer Bundesstraße rechtlich sowieso unmöglich“, sagt CDU-Daur dazu. Zudem sei Winklers Begründung am Rednerpult kurz und naiv gewesen. „Das war derartig kümmerlich, man hatte das Gefühl, sie konnte kaum lesen.“

Druckreife und ausgefeilte Vorträge wollen die selbsternannten „Volkspolitiker“ der DVU auch gar nicht halten. Groetschel formuliert Anträge so wie er es von Freunden und Bekannten hört. Von formalen oder juristischen Spielregeln der Bezirksversammlung versteht er wenig. „Wir stellen uns da hin und sagen es so wie wir denken, dem Volk aufs Maul geschaut“.

Für die GAL-Frau Kirschner sind die DVUler „Hanseln“, die aber für eine gefährliche Partei stehen. Direkt ausländerfeindliche Parolen habe sie im Bergedorfer Sitzungssaal zwar noch nicht gehört, doch der einzige DVU-Sachantrag sei eine Mogelpackung gewesen. Zwei harmlose Forderungen, doch hinter der Dritten, die Obdachlosen zu zählen, wittern die Grünen ausländerfeindliche Motive. „Mit den Zahlen wollen die doch nur zeigen, soundsoviel Deutsche sitzen auf der Straße, und Ausländer leben in Saus und Braus“, beschreibt Kirschner die Taktik der Rechtsradikalen.

Ziemlich gering ist auch das lokalpolitische Engagement der Republikaner in den Bezirksversammlungen Mitte und Harburg. Die Rechtsaußen südlich der Elbe verfügen wie die Bergedorfer DVU über den Fraktionsstatus. Die drei Republikaner in Harburg, eine Hausfrau, ein Krankengymnast und ein Rentner, traten erst in der letzten Sitzung der Bezirksversammlung am 22. Februar in Erscheinung: Sie stellten drei Anträge, die von den etablierten Parteien alle abgelehnt wurden. Unter anderem mahnten die „Reps“ einen verstärkten Kinder- und Jugendschutz an. Statt Gewalt und Pornografie per Video solle der deutschen Jugend mehr „schöngeistige Unterhaltung“ angeboten werden, so ihr Antrag mit dem Aktenzeichen XIV 214.

Auch in der Bezirksversammlung Mitte sitzen drei Abgeordnete für die Schönhuber-Partei: die Exportkauffrau Ute Behrens (36), eine studierte Wirtschaftswissenschaftlerin und Ex-SPD Mitglied, ihr Ehemann Thomas Behrens und Peter Weidner, von Beruf Taxifahrer und seit drei Jahren in der Schönhuber-Partei.. Der bisher einzige Sachantrag des Republikaner-Trios mit der Nr. 15/153/93 beschäftigte sich, auf Initiative Weidners, mit den Taxi- und Busspuren auf dem Jungfernstieg. Die Forderung, die Fahrbahnen neu zu mischen, wurde allerdings in der vorigen Sitzung der Bezirksversammlung wieder zurückgezogen, um ihn nochmal zu überarbeiten. Alle anderen Anträge und Anfragen beschäftigten sich mit der Forderung nach dem Fraktionsstatus. Während den drei Republikanern in der Bezirksversammlung Harburg der Fraktionsstatus zugebilligt wurde, wählte die SPD-CDU-Mehrheit in Mitte die Bergedorfer Variante: Zu Beginn der Legislaturperiode wurde die Zahl der für einen Fraktionsstatus nötigen Mandate kurzerhand von drei auf vier aufgestockt. Dieses Verfahren sei durch die Geschäftsordnung der Bezirksversammlung gedeckt und im Rahmen der Legalität werde man die Republikaner in voller Härte bekämpfen, begründete SPD-Fraktionsschef Siegfried Bars den politischen Gesinnungsbeschluß. „Die wollen doch nur an die Geldtöpfe. Auch ohne Fraktionsstatus haben sie das Recht, an Fachausschußsitzungen teilzunehmen“. Tatsache ist: Dort ist noch kein ,Rep' gesichtet worden.

Mehr Probleme mit den Republikanern hat die GAL, die selber jahrelang unter der vollen Härte von SPD und CDU gelitten hat und um parlamentarische Anerkennung kämpfen mußte. „Die Geschäftsordnung darf kein politischer Spielball werden“, meint GAL-Fraktionschef Volker Nienstedt und fordert: „Gleiche Rechte für alle Parteien!“ Während seine Fraktion in der „Rep-Frage“ zerstritten ist, will Nienstedt sich mit der Rechtsaußen-Partei politisch auseinandersetzen, statt sie in eine „Märtyrer-Rolle“ zu drücken. Ungewollte Konsequenz: Die GAL-Fraktion saß bei Abstimmungen über den Fraktionsstatus plötzlich mit den Republikanern in einem Boot.

Den Vorwurf, eine rechtsradikale und ausländerfeindliche Partei zu sein, weisen die staatsmännisch gekleideten „Rep-Vertreter“ gebetsmühlenartig zurück. Man bekennt sich mit jedem zweiten Satz zur demokratischen Grundordnung.

Taxifahrer Weidner erläutert seine persönliche Ausländerpolitik: „Trotz meiner politischen Einstellung komme ich mit den ausländischen Kollegen sehr gut klar, denn Taxifahrer arbeiten ja schließlich. Das sind keine Asylanten, die den Staat Deutschland schädigen.“

Die Mär vom guten und schlechten Ausländer erläuterte Weidner allerdings noch nicht dem Auditorium der Bezirksversammlung. Dort waren noch keine ausländerfeindlichen oder nationalistischen Töne des Schönhuber-Trios zu hören, weiß SPD-Fraktionschef Bars. „Da sich die Republikaner bei Sachthemen kaum zu Wort gemeldet haben, konnten natürlich auch keine ausländerfeindlichen Bemerkungen kommen.“ Doch auch diese verschwiegenen Republikaner hält Bars für rechtsradikal und verweist auf ihr 1993er Parteiprogramm. Dort rangiert das Thema „Ausländerpolitik“, verpackt in einen politischen Mix von CSU- bis GAL-Positionen, im vorderen Bereich: Die „Völkerwanderung aus fremden Kulturkreisen“ nach Deutschland müsse gestoppt werden, denn nur so ließe sich die „natürliche Lebensgrundlage“ der Deutschen retten.

Auch DVU-Frau Winkler, nach eigenen Angaben von ihren ausländischen Kneipengästen geliebt, hat für die Toten von Mölln und Solingen keine Kerze angezündet: „Hier wird sofort eine Lichterkette veranstaltet, aber wenn ein Deutscher in der Türkei umgebracht wird, glauben Sie, da wird auch eine Lichterkette gemacht?“ Der Wirtin jedenfalls ist noch kein Licht aufgegangen, warum sie in der Bezirksversammlung Bergedorf in der rechtsradikalen Ecke sitzt.

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