: Intensiv bis zum letzten Ton
■ Alfred Brendel begeisterte mit Beethoven in der Musikhalle
Als die Hamburger Symphoniker vor einer Woche Bruckners Vierte spielten, war die Musikhalle, trotz dieses Hitprogrammes nur halb voll. Ein Klavierabend am vergangenen Freitag - im Rahmen der Pro Arte Konzerte - war dagegen trotz weitaus höherer Eintrittspreise nahezu ausverkauft. Alfred Brendel kam und brachte fünf Klaviersonaten von Beethoven mit, durch deren Interpretation er einst weltberühmt geworden ist.
Beethovens 32 Klaviersonaten waren eine klare Weiterentwicklung von Mozarts Stil. Beethoven komponierte für das Solo-Instrument eine solche Palette von Stimmungen und Farbigkeiten, daß man von „Sinfonien für Klavier“ sprach. Wegen ihrer oftmals technisch sehr schweren Passagen sind sie nun schon seit 200 Jahren die Herausforderung für jeden Pianisten der Konzert-Bundesliga.
Brendel nimmt die Herausforderung äußerst gelassen an und serviert auch schwierigste Stellen mit behender Leichtigkeit. Selbst bei Melodieläufen, bei denen nicht einmal das MTV-trainierte Auge mit seinen hurtigen Händen folgen kann, wird das Pedal nur sehr sparsam eingesetzt. Jeder einzelne Ton ist präziser, differenzierter Klang, fernab von romantischem Brei. Das begeisterte Publikum feierte insbesondere die Sonate Pathétique, wohl die bekannteste an diesem Abend, lautstark. Die Interpretationen bleiben eher sachlich, sind nie aufdringlich oder schwelgerisch. Nur hin und wieder gibt Brendel einem Schlußakkord einen schelmischen Charme und bahnt sich damit auch den Weg in die Herzen des Publikums. Der Star des Abends wirkt wie ein fröhlich alternder Professor irgendeiner skurrilen Fakultät. Während er spielt, zittern seine Wangen vor Erregung, und ab und zu rückt er mit der linken Hand blitzschnell seine - wie von Woody Allen geliehen wirkende - Brille zurecht. Doch die Intensität des Spielens läßt in keinem Moment nach, nach kurzer Zugabe verabschiedete sich Brendel unter lautem Beifall. Das nächste Mal ist er am 22. September in der Musikhalle mit dem fünften Konzert des zehnteiligen Beethoven-Zyklus zu erleben. Stefan Pflug
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