: Die Wurfhand des Politclowns
■ Wer hat im Berliner Lustgarten ein Ei auf Stolpe geworfen?
Politclown Dieter Kunzelmann bleibt sich treu: Außerparlamentarisches Standbein und aktionspolitologische Wurfhand gehören zusammen. „Mit großer Begeisterung und tiefster innerer Überzeugung“ habe er ein „märkisches Landei der Güteklasse A“ in Richtung Manfred Stolpe geworfen.
So jedenfalls formulierte es der ehemalige AL-Abgeordnete und „Aktionspolitologe“ im November 1992 in einem Schreiben an den obersten Terroristenjäger der Stadt, Staatsanwalt Carlo Weber. Mit diesem Wurf wollte er ein Zeichen gegen die „heuchlerische“ Demo im Berliner Lustgarten setzen, bei der unter anderen Bundespräsident von Weizsäcker vor autonomen Gemüse- und Eierhändlern geschützt werden mußte.
Gestern nun mußte sich Kunzelmann vor dem Amtsgericht Tiergarten unter anderem wegen Landfriedensbruchs verantworten.
Daß sich der Amtsrichter, „Euer Ehren“ Fischer, als fairer Sportsmann und überaus humorvoll erwies, damit war zu rechnen. Daß sich aber der Angeklagte partout nicht zu den Vorwürfen äußern mochte und im übrigen die Stirn hatte, seine Selbstanzeige als Satire zu bezeichnen, brachte den Rechtshüter doch in arge Verlegenheit. Verhandlungspause.
Während auf den Gängen eifrig über das Ei als Ganzes und dessen Geworfenwerden als Straftatbestand parliert wurde, fand sich drinnen der rechte Kompromiß: Die Verhandlung wird vertagt, und Staatsanwalt Eggebrecht muß demnächst in diesem Theater in den Zeugenstand. Er nämlich soll nun bekunden, ob Kunzelmann bereits während der damaligen Vernehmung gestanden habe. Als weiterer Zeuge wird der taz-Redakteur Christian Semler geladen, der belegen könne, daß Selbstanzeigen seit jeher zum Aktionsfeld des Kunzelmann gehörten. Schließlich habe Semler als ehemaliger SDS-Oberer nicht unwesentlich dazu beigetragen, Kunzelmann und die „Kommune eins“ wegen ebensolcher Subversionen aus dem SDS auszuschließen. Und auch eine letzte Bitte wurde dem Eiermann aus Überzeugung noch gewährt. Richter Fischer versprach, sich dafür einzusetzen, daß anstelle des baldigen Zeugen Eggebrecht Carlo Weber höchstselbst das Staatswesen vertrete. Ob der jedoch Freude an Kunzelmann finden wird, bleibt dahingestellt. Schließlich wollte Weber das Verfahren gegen Kunzelmann bereits einmal abgeben. An die Bundesanwaltschaft nach Karlsruhe. Uwe Rada
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen