Roland, recycled

■ Die Kunst der Wiederverwertung: Frische Ideen von Gestern in der Bremer Schau „Alles Werbung oder was?“

Die Werbung muß dem Zeitgeist eben immer ein gutes Stück vorauseilen. Eben noch die Kampagne für den Grünen Punkt durchgepaukt, jetzt schon ans Recycling geistiger Produkte denken: „Ideen-Recycling“ lautet das Zauberwörtchen, das die Bremer Werbeleute derzeit ausgeben. Unter diesem Motto verkaufen sie uns zumindest ihre eigenen, abgetragenen Gedanken. Und zwar im heimischen „World Trade Center“ am Hillmannplatz. Dort läuft ab heute die Ausstellung „Alles Werbung oder was“, die uns Einblicke eröffnen soll in die „Bremer Werbekultur“ – allerdings die von gestern. Manche der Ideen haben das Verfallsdatum in der Tat schon längst überschritten – aber nicht alle erweisen sich als 100%ig wiederverwertbar.

Die Idee mit dem „Ideen-Recycling“ kam Michael Blochberger (BLOW-Werbeagentur). „Da sitzen einige tausend Marketingfachleute, Werber und Kreative, entwickeln und gestalten kleine und großartige Dinge, die vielleicht viel bewegen, aber schon bald in Vergessenheit geraten“, philosophiert er im Katalog; „Arbeiten, die zu schade sind, in Schubladen zu verstauben.“ Diese will er – zumal für einen guten Zweck – „ausgraben, ausstellen und versteigern, um sie neu zu verwerten.“ So sollen die guten Ideen von Gestern zum einen Geld für den „Elternverein leukämie- und tumorkranker Kinder Bremen“ bringen, zum andern einen Überblick über die Werbeszene erlauben, auf daß diesee neue Kraft aus dem Alten schöpfen möge.

Zwar haben sich nicht alle der gut 200 Bremer Werbefirmen beteiligt, aber doch fast alle namhaften. Und da kommen schon Ideen zusammen, die als Inspiration für neue Schandtaten dienen könnten. Als dauerhaft erweist sich z.B. die Plakatkunst des Rolf Pientka: Einmal mehr sind es die einfachen, klaren Worte, Buchstaben und Farben (bei nur wenigen Bildern), u.a. für das Bachfest, die Breminale oder die Schau „Aufbruch in die Fremde“, die sich als zeitlos-schöne Gestaltungsmittel bewähren. Gleiches gilt für das elegante Logo, mit dem Designgruppe Jung für das eigentlich ja ziemlich unbeschreibliche „Congress-Centrum Bremen“ zu werben versucht: Wie schnittig da das doppelte „C“ auf einmal daherkommt, und mit ihm das Zentrum.

Aber den Grünen Punkt bekämen dann doch nur die wenigsten Plakate, Modelle, Manuskripte und Werbefilme verliehen. Denn mit zäher Liebe hängen einige der sog. Kreativen am vermeintlich Altbewährten – und doch hoffnungslos Verstaubten: keine Bremer Werbeschau ohne die Stadtmusikanten (hier mal als Trickfiguren) und ohne den Roland (jetzt auch als Bremer Karte erhältlich). Als künstlerisch besonders wertvolle Beiträge werden dann noch zwei herzallerliebste Aquarell- bzw. Ölbilder herausgestellt: Als Plakatmotiv für die Bad Zwischenahner Spielbank kam man doch tatsächlich auf ein Blatt Spielkarten, hübsch malerisch verwischt. Aber steht's nicht schon im Katalog geschrieben: „Werbung ist Kunst“?

Diese Verstaubtheit lastet schwer auf den Exponaten, zumal diese ja irgendwie ein Bild der Bremer Werbeszene zeichnen sollen. Daß die heimische Zunft tatsächlich als „eher zurückhaltend“, um nicht zu sagen: bieder eingestuft wird – dieser Vorwurf ist auch dem Veranstalter „BLOW“ nicht unbekannt. Mitarbeiter Sönke Manns möchte aber auch daran erinnern, daß „es immer auch am Kunden liegt“, was sich an Ideen letztlich durchsetzen läßt. So schieben beide Seiten die Kritik einander zu, und mit ihr die Angst, es möge ja nichts allzu gewagt sein – es könnte ja den gediegenen Geschmack der heimischen Pfeffersäcke beleidigen.

Da nimmt es nicht Wunder, wenn der Veranstalter sogar den Austellungstitel („Alles Werbung oder was?“ – schon vergessen? Sehen Sie) als „provokantes Motto“ empfindet. Noch aufregender ist nur die lila Kuh, die sich die Bremer als Motiv vom Bremer Schokoladenhersteller ausgeborgt haben und nun in exhibitionistischer Pose auf dem Ausstellungsplakat vorführen - irgendwie witzig-derb, oder so. Die heilige Originalkuh aber, wie sie gravitätisch inmitten der Halle prangt: Sie ist eine Idee der Rivalen aus Frankfurt; den Kreativen im eigenen Lande mochte der Bremer Kunde den Auftrag offenbar nicht anvertrauen. tom

Bis 28.4. im World Trade Center; Versteigerung am 28.4., 18 Uhr, im Marriott Hotel