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Gesammelte Erinnerungen im Angebot

■ Ein neuer „Bilderspeicher“ bietet historische Fotos zur kommerziellen Nutzung

Zwei ältere Stadtteilbewohnerinnen sitzen in der Geschichtswerkstatt Hamm an Karteikästen, aus denen sie aufgeregt ein altes Foto nach dem anderen ziehen. „Ist das nicht der Heinz?“ „Nein, das ist der Uli, der saß in der vierten Klasse neben mir und ist dann im Krieg gefallen.“ Seit 1980 in Hamburg-Ottensen die erste Geschichtswerkstatt entstand - inzwischen gibt es 15 Werkstätten, die die Geschichte des eigenen Stadtteils erforschen -, hat sich durch Interviews mit Zeitzeugen ein beträchtlicher Fundus historischer Fotos angesammelt.

Neben privatem Erinnern wird nun auch ein kommerzielles Lüftchen durch die Räume der Geschichtswerkstätten wehen, denn gestern wurde das gemeinsame Fotoarchiv als sogenannter Bilderspeicher der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit dem zusammen mit der Kulturbehörde organisierten und mitfinanzierten Bilderspeicher können jetzt auch Verlage, Behörden, Journalisten oder Vereine die Bilder zu Recherche- oder Veröffentlichungszwecken nutzen - gegen Bares.

Über einen Zeitraum von etwa hundert Jahren - von 1890 bis heute - finden sich Motive zu Themen wie Architektur, Handwerk, Parteien, Bombenschäden, Bürgerbewegung, Nationalsozialismus und vieles mehr. Die historischen Fotos können in der Ottensener Geschichtswerkstatt über Computer abgerufen werden, wo sie unter thematisch und alphabetisch geordneten Stichworten zu finden sind. Und da Kommerz mit viel Behördenkram einhergeht, gibt es für die zukünftigen Kunden eine ganze Seite kleingedruckter Liefer- und Geschäftsbedingungen zu lesen.

Und für die Werkstättler seitenweise Preislisten zu wälzen. Als Kleinformat in einer Tageszeitung mit einer Auflage von unter 50.000 Exemplaren kostet der Abdruck eines historischen Fotos beispielsweise 100 Mark, eine Illustrierte mit einer Auflage von zwei Millionen müßte für ein Titelbild 2280 Mark auf den Tisch legen. Wolfgang Stiller, der in der Kulturbehörde für die Belange der Geschichtswerkstätten zuständig ist, betont: „Den Stadtteilarchiven kommen durch den kommerziellen Verkauf der Bilder kleine Eigeneinnahmen zugute.“ Im Gegenzug könne man dann die behördliche Finanzhilfe kürzen. Das heißt, reich werden die Stadtteilforscher mit ihrer neuen Bilderspeicher-Agentur nicht werden, aber vielleicht finanziell ein wenig unabhängiger.

Simone Ohliger

Bilderspeicher: Stadtteilarchiv Ottensen, Zeißstraße 28, 22765 Hamburg, Tel.: 040/390 36 66

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