piwik no script img

Mit dem Flugzeug von Tegel nach Schönefeld

■ Vom Flughafen Tegel startende Düsenjets sollen zum Auftanken in Schönefeld zwischenlanden / Umbau in Tegel

Ab Herbst dieses Jahres könnte Berlin um eine Kuriosität reicher sein. Möglicherweise heißt es dann aus den Bordlautsprechern der Urlauberjets, die vom Flughafen Tegel in Richtung Süden starten: „Bitte schnallen Sie sich an. Wir heben in wenigen Minuten ab. In etwa 20 Minuten werden wir in Berlin Schönefeld einen kurzen Zwischenstopp einlegen.“

Kein Fliegerscherz, sondern eine ernsthafte Überlegung der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF). Gegen Ende des Jahres 1994 will die Eigentümergesellschaft der drei Berliner Flughäfen die 3.000 Meter lange Startbahn Nord des Flughafens Tegel gründlich renovieren und deshalb sperren. Eine neue Bitumendecke wird aufgetragen und die Beleuchtung am Startbahnrand erneuert. Für etwa fünf Wochen weichen die startenden Flugzeuge auf die etwa 600 Meter kürzere Startbahn Süd aus. Um von der kleinen Bahn in die Luft zu kommen, sollen einige Flugzeuge mit geringerem Gewicht, sprich: weniger Benzin in den Tanks starten. Die Flughafen Holding hat den in Tegel ansässigen Fluggesellschaften also vorgeschlagen, knapp 30 Kilometer entfernt auf dem Flughafen Schönefeld im Süden Berlins zwischenzulanden, um dort ihre Tanks für die lange Reise aufzufüllen.

Was das für einen Jet vom Typ Boeing 737 bedeutet, der mit 148 UrlauberInnen vollbesetzt zu den Kanarischen Insel fliegt, erläutert Ekkehard Soldat, Leiter der Verkehrszentrale der Chartergesellschaft Germania: „Wir würden eine doppelte Schleife über Berlin fliegen. Das dauert zwischen 18 und 23 Minuten.“ Eine mögliche Route: Nach dem Steigflug über Spandau folgt eine Kurve nach Osten, so daß der Düsenklipper schließlich über Königs Wusterhausen und den Müggelsee nach Schönefeld einschwebt. Für den Rundflug über die Bundeshauptstadt verbraucht die Maschine etwa 1.000 Kilogramm Kerosin mehr als normal.

Etwa 40 Flugzeuge pro Woche, durchschnittlich sechs bis sieben pro Tag, könnten von dieser Regelung betroffen sein, erklärte Flughafen-Sprecher Wolf-Dieter Schulze. Ursprünglich habe die Erneuerung der Tegeler Startbahn Nord schon im Frühjahr diesen Jahres beginnen sollen, wegen Schwierigkeiten bei der Ausschreibung der Aufträge aber verschoben werden müssen. Die Zwischenlandungen seien auch nicht dadurch zu verhindern, daß die Fluglinien für die Zeit des Umbaus sämtliche Starts nach Schönefeld verlegen, so Schulze. Die Airlines bräuchten dann zusätzliches Personal und müßten ihre Infrastruktur quasi verdoppeln, was zu hohe Kosten mit sich bringe.

Bei den Fluggesellschaften herrscht keineswegs Begeisterung über die Turbulenzen im Berliner Luftraum. Zwei Starts und eine Landung kurz hintereinander seien den erholungsbedürftigen Reisenden nicht zuzumuten, heißt es bei mancher Charterlinie. Patrick Pötzsch, Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Fluglinien in Tegel, schätzt denn auch, daß die Jets auf ihrem Flug nach Süden eher in Spanien oder Portugal zwischenlanden.

Das spare Zeit im Vergleich zu den Kurven über Berlin. Von der Berliner Flughafen Holding hätten die Fluggesellschaften gerne eine Entschädigung für den Zwischenstopp – egal ob in Berlin oder Spanien: Die BBF könnte die Gebühren für die zusätzliche Landung übernehmen, meint Pötzsch. Denkbar sei aber auch eine andere Variante: Um sich gewichtsmäßig an die kurze Süd-Startbahn in Tegel anzupassen, könnten die Flugzeuge – anstatt vollbesetzt und mit wenig Benzin – auch mit weniger Passagieren und vollen Tanks starten. Für diesen Fall wünschen die Airlines einen Ausgleich von der BBF für ihre leeren Sitze.

Trotz ihrer Verschuldung ist die Berliner Flughafengesellschaft bereit zu zahlen. Alleine schon, um zu verhindern, daß weitere Linien aus Berlin abwandern. Hannes Koch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen