: Berlusconi blieb medialer Arena fern
■ „Forza“-Zugpferd und Medienmogul Berlusconi entzog sich unangenehmen Fragen zu Mafia-Kontakten der Partei
Ausgerechnet Silvio Berlusconi, der unumschränkte Herrscher über das italienische Privatfernsehen, entzog sich im Wahlkampf jeder direkten medialen Auseinandersetzung mit den Konkurrenten. Die Begründungen dafür wechselten des öfteren, mal erklärte er, nicht in die „üblichen Fallen der Journalisten laufen zu wollen“. Dann wiederum war er „einfach zu sehr in Wahlversammlungen eingespannt“ – wo er aber auch nur handverlesenes Publikum und schon gar keine kritischen Frager zuließ. Und am Ende streuten seine Paladine, es habe Bombendrohungen gegen ihn gegeben, deshalb müsse er besonders vorsichtig sein. Seinen direkten Gegenkandidaten im Wahlkreis Rom-Mitte, Haushaltsminister Spaventa, wies er mit der Begründung ab, der Mann solle erstmal „einen Betrieb mit 40.000 Beschäftigten aufbauen wie ich“. Danach bescheinigten selbst Redakteure seiner eigenen Kanäle ihrem Chef „deutlichen Realitätsverlust“.
Das scheint gar nicht so weit hergeholt: Wo immer der Chef der rechtsgerichteten „Forza Italia“ auftrat, hatte er nur eine einzige Botschaft: die, daß er bereits einen festen Stimmenanteil von 30 Prozent erreicht habe – was angesichts des Verbots von Umfragen im letzten Monat vor der Wahl natürlich niemand nachprüfen konnte. Ansonsten blieb er eher schwammig, Marke „Unser Kampf gegen die Kriminalität steht an vorderster Stelle unseres Programms“. Ohne allerdings zu sagen, wie er der Mafia, der Camorra und der noch immer waltenden politischen Korruption Herr werden will.
Daß sich Berlusconi der direkten Fragerei immer mehr entzog, hatte handfeste Gründe. Schon bei einem früheren öffentlichen Auftritt zeigte sich, wie wenig vorbereitet er war, wie leicht der große Kommunikationsfetischist in Wut geraten konnte. Dazu erweist sich sein Wirtschaftsimperium immer tiefer in Korruptionsskandale verstrickt, und da konnten unangenehme Fragen nicht ausbleiben.
Nur wenige Tage vor den Wahlen gingen die römischen Justizbehörden dem Hinweis eines geständigen Mafioso nach, dem zufolge Berlusconi jährlich umgerechnet mehr als 200.000 Mark an die Mafia gezahlt haben soll, um seine sizilianischen Fernsehstationen vor Anschlägen zu schützen. Am Mittwoch morgen wurde die Parteizentrale der „Forza“ durchsucht, nach Angaben der Ermittler beschlagnahmten die Anti-Mafia-Einheiten Unterlagen über „Forza“-Kandidaten, die im Verdacht stehen, mit der Mafia zusammenzuarbeiten. Gegner Berlusconis hatten wiederholt auf Verbindungen zwischen der neu gegründeten Partei und Mafia-Kreisen hingewiesen. Berlusconi selbst bezeichnete die Vorgehensweise als „totalitär“ und feierte den Rücktritt des Vorsitzenden des Anti-Mafia-Ausschusses, Luciano Violante, als „politischen Erfolg“ seiner Partei.
Aus der TV-Abstinenz ihres Konkurrenten zogen die anderen Parteien kaum Profit. Weder schafften sie es, Berlusconis Verweigerung als Feigheit vor dem Gegner darzustellen, noch nutzten sie die ihnen überlassene Arena der Direktübertragungen zur wirksamen Darstellung ihrer Programme. Im Gegenteil: Diskussionssendungen gerieten in der Anfangsphase zu reinen Schrei- und Gestikulationsshows, später – ein neues Gesetz sieht in den letzten Wochen vor dem Urnengang strikte zeitliche Gleichberechtigung aller Konkurrenten vor – zu gestylter Langeweile: Italiens Politiker haben eben vor allem gelernt, daß man den Gegner nicht ausreden lassen darf: Er könnte die besseren Argumente haben. Dürfen sie das nicht mehr, zeigt sich meist, daß sie ihr eigenes Programm gar nicht kennen. Die Folge: Die meisten Anrufer erklärten nach den jeweiligen Sendungen, jetzt noch weniger als vorher zu wissen, wen sie wählen wollen.
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