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■ NachgefragtVertrauen für Mostar

„Was meine Frau dazu sagt?“ Hans Koschnick überlegt nur einen kurzen Augenblick. „Soll ich die Frage ehrlich beantworten? Sie hat mich für verrückt erklärt. Aber auch akzeptiert, da sie seit 40 Jahren mit so einem Verrückten zusammenlebt. Und sie hat ihre Bereitschaft erklärt, wenn auch mehr zähneknirschend als fröhlich, daß sie noch einmal anderthalb Jahre warten muß, bis ich nach Hause komme. Aber wehe dann... Dann mußt Du mir gehorchen.“

Was drängt einen Mann kurz vor seinem 65sten nach einem vollen Arbeitsleben noch einmal so einen Auftrag zu übernehmen? „Gar nichts“, sagt Koschnick ohne nachzudenken. „Ich habe mich nicht beworben. Die Bundesregierung ist an mich herangetreten mit der Frage: Wenn die europäische Union die Administration für den Wiederaufbau von Mostar übernimmt, wie die Uno die Administration von Sarajewo übernimmt, ob ich dann bereit wäre, als Administrator hinzugehen.“

Mit seiner internationalen und seiner kommunalen Erfahrung traut sich Koschnick das zu, und er weiß auch, worum es geht: „Vertrauensarbeit“. Insbesondere die Moslems in Mostar, deren Stadtteil weitgehend zerstört ist, haben das Vertrauen in Europa verloren, in die Kroaten auch und in die Serben allemal. Wenn sie sehen: „Es geht wieder aufwärts“, so sieht Koschnick seine Aufgabe, könnte das den Bewohnern der Herzegowina helfen, wieder Vertrauen untereinander zu finden. Dafür muß einer da sein, vor Ort. „Anders geht das nicht.“ Und er ist dazu bereit.

An der anderen Bedingung fehlt es noch: Das geht nur, wenn die Europäische Union Geld für Aufbau-Projekte zur Verfügung stellt. Da wird noch verhandelt. Koschnick: „Wenn ich da nicht sagen kann, es gibt Geld, um einige sichtbare Dinge zu finanzieren, dann gehe ich lieber mit meiner Frau hier spazieren.“

Ein wirklicher Aufbau ist in anderthalb Jahren nicht zu machen, worum es geht sind erste Schritte. Koschnick fällt das Beispiel des Hamburger Senats ein, der nach Krieg Glasscheiben aus England bekam, nicht allzuviele, und entscheiden mußte, wofür sie verwendet werden sollten. Der damalige Hamburger Bürgermeister entschied: Für die Straßenbahn. Koschnick: „Die fährt durch die ganze Stadt und alle sehen: Es gibt wieder Glas, es geht wieder aufwärts. Das war eine richtige Entscheidung.“

Wird der Waffenstillstand zwischen Moslems und Kroaten halten? „Ich denke ja“, sagt Koschnick vorsichtig. Entscheidend ist aber, ob die aus den umliegenden Dörfern vor den ethnischen Säuberungen der Serben in die Stadt geflüchteten Menschen zurück können. „Da ist auch viel Haß“, sagt er. Die alten Bewohner Mostars haben dagegen die gemeinsame Erfahrung des Zusammenlebens vor dem Krieg, an die sich anknüpfen lassen könnte. „Aber noch ist das ja gar nicht entschieden“, wundert sich Koschnick etwas geschmeichelt über das Interesse an seiner Person. K.W.

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