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Nicht normal geguckt

■ Vom telegenen Apo-Schreck zum Helden des Qualitätsfernsehens: Ex-Kommunarde und Grimme-Preisträger Langhans über das Fernsehen in der K 1

taz: Um die Kommune1 in Berlin ranken sich bis heute viele Legenden und Gerüchte. Aber wer weiß schon, ob dort ferngesehen wurde. Gab es denn eine Glotze in der K1?

Rainer Langhans: Zunächst nicht. Erst eines Tages erschien der Peter Brügge, das war so ein edelfedermäßiger Redakteur vom Spiegel, der unbedingt mit uns ein Interview machen wollte. Wir wollten erst nicht, und da hat der das Ding mitgebracht, einen riesigen Kasten, um uns alle zu umgarnen. Das muß – Moment, der Fritz war gerade im Knast – das muß so Sommer oder Herbst '67 gewesen sein.

Also der stand auf einmal mit diesem Kasten als Geschenk vor der Tür. Genauso, wie er ein Auto oder einen Kühlschrank hätte mitbringen können...

Ja, was man so mitbringt, um Leute zu becircen. Der Apparat hatte so eine merkwürdige, sehr große Zimmerantenne; die habe ich dann bei Interviews mir immer vor den Hals gehalten, das sah aus wie eine Fliege. Viel geguckt haben wir anfangs nicht. Wir waren noch nicht so geübt.

Was habt Ihr denn geguckt? Nachrichten, politische Sendungen oder auch „Lassie“ und so ein Zeug?

Nachrichten, klar. Alle Aktionen von uns, das ganze Zeug, um da Rückmeldung zu bekommen. So wie wir morgens auch Bild-Zeitung gelesen haben. Bald danach haben wir uns eine ganz einmalige Geschichte angeschafft, so einen Großprojektor, ich glaube von Grundig. Das war wie eine große Kommode, die hast du dann aufgeklappt und hattest das Bild auf einem riesengroßen Schirm, so leinwandmäßig. Das war einzigartig und toll. Und da habe ich dann auch gelegentlich mal Tiersendungen gesehen. Die fand ich schön. Aber meistens hatten wir Besseres zu tun, jeden Abend war was los bei uns bis tief in die Nacht, Musik hören und machen, Drogen nehmen, das war spannender als fernsehen. [...]

Ich dachte, vielleicht hat Fritz Teufel immer diese grausame Sendung „Das Fernsehgericht tagt“ geguckt und da seine Erkenntnisse gewonnen, was alles der Wahrheitsfindung dient.

Nein, ging ja nicht, als wir den ersten Fernseher bekamen, saß der Fritz ja schon im Gefängnis. Und als er rauskam, hatte der viel mehr mit kleinen Mädchen zu tun. Und diesen schrecklichen Biederkram, nein, den hat niemand geguckt.

Gab es auch Leute in der K1, die das Ding völlig abgelehnt haben, so nach dem Motto: Wer einmal vor die Glotze rennt, gehört schon zum Establishment?

Nein. Wir haben das ja meist sehr gezielt eingesetzt, gar nicht so normal geguckt, zur Unterhaltung. Aber manche haben auch gesagt: Wenn du dich auf so ein Ding einläßt, gehörste schon dazu. Im Gegensatz zum SDS waren wir ja auch der Auffassung, daß man die Tiger alle reiten kann. Fernsehen gehörte eben auch zum Leben, zur Gesellschaft.

Oder wie Dieter Kunzelmann damals gesagt hat: Nur wer über seine Orgasmusschwierigkeiten reden kann, kann auch über Politik reden.

Ja, natürlich. Diese Dinge hängen alle zusammen. Richtige Politik ist ja nicht nur, wie beim SDS, alle Flugblätter richtig hinhalten und Wort für Wort vorlesen, dann wird alles schon gehen. Neinnein. Oder wie der Rudi damals, taktisch völlig unfähig, immer ganz redlich mit jedem freundlich geredet hat, Interviews gegeben hat und glaubte, dann wird das schon alles. Nein, wir haben gesagt, wir müssen auch auf die Knöpfe der Phantasie drücken. Wir wußten auch bald, wie man mit dem Fernsehmedium umzugehen hat. Wir wollten nicht spießig sein und vor allem unberechenbar bleiben. Das war schon subversive Medienarbeit. [...]

Aber für Interviews standen die Leute von der K1 immer zur Verfügung. War das Konsens?

Ja, das hat uns Spaß gemacht, wenn jemand Kommunefilme machen wollte. Und vor allem die Hauptsache: wenn wir Aktionen gemacht haben. Da haben wir den Fernsehleuten schon Tips gegeben. Je mehr Aufmerksamkeit, desto besser: Das Spiel des Spaßes, der Körper, der Aktionen, der Regeldurchbrechungen, Happenings auf dem Ku'damm, die Go Ins, Fritzens Freilassung.

Da kam das relativ neue Medium Fernsehen gerade recht. Zehn Jahre vorher wäre das noch nicht so gegangen?

Natürlich, das war schon ideal. Es war eine Gegenseitigkeit, schon damals. Aber ich glaube, daß wir das schneller begriffen haben. Daß nicht die vom Fernsehen uns abgekocht haben, sondern wir sie benutzt haben. Wir waren eben attraktiv. Und das hat ja jedem Spaß gemacht, uns zu sehen im Fernsehen. Auch den Spießern: Die hatten eben ihren negativen Spaß, konnten sich wunderbar aufregen. Und wenn wir das dann abends gesehen haben, war tolle Stimmung in der K1. Je schlimmer und je verrückter wir rüberkamen, desto besser. Dazu kamen die persönlichen Eitelkeiten. Der große Kummer von Dieter Kunzelmann war immer, daß er, obwohl er der größte Aktivist überhaupt war und nachweislich der Chef, daß er bei den Fernsehberichten nie so richtig rausgekommen ist. Das ärgert den heute noch. Er sah eben nicht so schön aus, das war schlecht für die Medien, und das hat den Dieter sehr gefuchst. Ich war dann der Eitlere, weil ich der Schönere war, schöner als Fritz auch...

...mit den wilden Haaren, das kam natürlich optisch am besten...

Die Haare, sicher, aber auch die Kleidung. So ein langes Ohrgehänge zu haben oder Gewänder zu tragen, das war damals unfaßlich. Oder daß jemand die Füße auf den Tisch legt, während er mit dem Fernsehen redet, dabei überaus lässig in einen Apfel beißt, das war immer ein Schlag ins Gesicht. War ja damals noch so eine Art Staatsfernsehen. Und ich bin kindisch genug geblieben, daß ich daran heute noch meinen diebischen Spaß habe. Interview: Bernd Müllender

Das Interview haben wir in Auszügen und mit freundlicher Genehmigung des Klartext-Verlags dem Band „Am Fluß der blauen Berge“ entnommen. Das Buch mit Interviews, Portraits und Erinnerungen aus der Zeit der Fernsehtruhe erscheint Mitte April. Unsere kleine Lesereihe wird dagegen schon am Samstag nächster Woche fortgesetzt.

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