Justitias Trip nach Bonn

■ Zeugen sind Genscher und Kinkel

Augsburg (taz) – Die drei hauptberuflichen Richter der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Augsburg und ein Staatsanwalt reisen am Dienstag an den Rhein, die beiden Schöffen hingegen müssen am Lech bleiben. In Bonn, im Saal 126 des dortigen Landgerichts, werden Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher und der derzeitige Amtsinhaber Klaus Kinkel, letzterer allerdings in seiner Eigenschaft als einstiger Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), als Zeugen im Rhein- Bayern-Prozeß gehört. Sie sollen Auskunft darüber geben, ob der BND tatsächlich in den Jahren 1982 bis 1988 über eine Tarnfirma namens „Telemit“ Waffen und militärisches Gerät für rund hundert Millionen Mark an den Irak verkauft hat und ob die Bundesregierung von den Waffengeschäften mit dem Irak gewußt hat.

Anton Eyerle (70), der Hauptangeklagte in dem Prozeß um illegale Lieferungen von Raketenzündern, Teilen für das irakische Atomprogramm und auch für Anlagen zur Herstellung biologischer Kampfstoffe, hat diese Anhörung über seine Anwälte beantragen lassen. Eyerle, einstmals NPD-Politiker im Allgäu und großer Bewunderer von Saddam Hussein, muß sich seit August 1993 vor den Augsburger Richtern wegen einer ganzen Fülle von verbotenen Lieferungen im Wert von 30 Millionen Mark an den Irak verantworten. Lastwagenweise hatte eine Sonderkommission des Kölner Zollkriminalamtes am 14. Februar 1992 Bauteile für Raketenzünder und ähnliches mehr bei den Firmen Rhein-Bayern und avionic Dittel GmbH beschlagnahmt.

Zwei der drei verhafteten Geschäftsführer haben im Laufe des Prozesses umfassende Geständnisse abgelegt und sind zu mehrjährigen Haftstrafen wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz verurteilt worden. Anton Eyerle aber bestreitet nach wie vor hartnäckig die Vorwürfe.

Von der Anhörung Kinkels und Genschers verspricht sich die Verteidigung Entlastendes. Sie ist nicht öffentlich, da es sich um eine kommissarische Vernehmung, nicht aber um die Hauptverhandlung handelt. Es ist nicht einmal klar, ob das Protokoll dieser Zeugenanhörung tags darauf in öffentlicher Sitzung verlesen werden darf, erklärte der Vorsitzende Richter Hartmut Klotz gegenüber der taz. Während in Kaufbeuren am Stammsitz der Firma Rhein- Bayern und in Augsburg noch gerätselt wird, was diese Reise bringen soll, sind für die Maschinenbaufirma längst die Würfel gefallen. Das Unternehmen mußte trotz guter Auftragslage Konkurs anmelden. Klaus Wittmann