My Home is my Ashtray Von Andrea Böhm

Man sieht sie zusammengekauert in Hauseingängen stehen. Meist frierend, weil der Frühling noch auf sich warten läßt. Oder an den ungemütlichsten Restaurant-Tischen in Nähe der Toiletten. Oder auf Parkplätzen vor den Shopping Malls. In der Hand eine rauchende Papierstange; im Gesicht jenen Ausdruck zwischen Empörung und Beschämung, den Menschen an den Tag legen, wenn sie irgendwo hinausgeworfen wurden.

Daß in den USA dicke Luft für die FreundInnen des Lungenzuges herrscht, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Das Rauchen ist im Weißen Haus, auf allen Inlandsflügen, in Shopping Malls und immer mehr Fastfood-Restaurants verboten. Eine Strafvollzugsanstalt hat unlängst fast einen Aufstand riskiert, als sie ihren Insassen den Zigarettenkonsum untersagen wollte. Doch das alles ist harmlos im Vergleich zur jüngsten Kampagne von Staat und Gesellschaft gegen RaucherInnen – ein für amerikanische Verhältnisse seltenes Ereignis, denn Staat und Gesellschaft wahren hier eine meist unfreundliche Distanz zueinander. Jetzt aber hat die Koalition ihren Generalangriff gestartet. Die Strategie ist einfach: Man nimmt den RaucherInnen einfach den Platz zum Rauchen. Gar kein so einfaches Unternehmen in einem so großen Land. Der US-Bundesstaat Maryland hat den Anfang gemacht und das Rauchen an allen Arbeitsplätzen sowie in Bars und Restaurants verboten. Der Stadtrat von New York City will nachziehen und Zigaretten darüber hinaus von öffentlichen Orten wie Sportstadien und Kinderspielplätzen verbannen. Und im US-Kongreß berät ein Parlamentsausschuß über eine Gesetzesvorlage, wonach Rauchen landesweit in allen öffentlichen Gebäuden untersagt werden soll, die pro Woche von mehr als zehn Menschen betreten werden. Was bleibt den Gejagten? Nur noch die eigenen vier Wände. My Home is My Ashtray. Das alles erinnert ein wenig an die Zeiten der Prohibition zwischen 1919 und 1933, als der Konsum von Alkohol verboten war, um Seelen, Sitten und die Leber rein zu halten. Die Anti- Raucher-Bewegung von heute ist nicht so puritanisch wie die Anti- Trinker-Bewegung von damals; aber sie hat sehr viel mehr Statistiken zur Verfügung: An der Droge Nikotin, sagt das Institute on Drug Abuse, sterben jährlich mehr Menschen als durch Alkohol und alle anderen Drogen zusammen. 90 Prozent aller AmerikanerInnen, sagen die Demoskopen, finden Zigarettenrauch unangenehm. 3.000 Menschen, sagt die US-Umweltbehörde EPA, sterben jährlich an Lungenkrebs, verursacht durch passives Rauchen. Die letztgenannte Studie ist höchst umstritten, aber im gegenwärtigen Anti- Raucher-Klima ist die Grenze zwischen Fakt und Fiktion irgendwo im Dunst verschwunden.

Ich muß gestehen, daß mich die Raucherhatz etwas befremdet – auch wenn ich es als nichtrauchender Dauergast in den USA höchst angenehm finde, nach einem Kneipenbesuch nicht zu riechen, als hätte man die ganze Nacht in einem Aschenbecher verbracht. Nur irritiert mich der Umstand, daß es in diesem Land soviel einfacher ist, Leuten die Zigaretten zu entziehen als ihnen die Waffen abzunehmen. Genauer betrachtet, liegt der Grund natürlich auf der Hand: Die einen können schießen, um ihrer Entwaffnung zuvorzukommen. Die anderen nur husten.