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"Wir müssen eben powern!"

■ Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP), über die Folgen der ersten Europawahl mit Beteiligung aller EU-Bürger in den Mitgliedsländern

taz: Frau Schmalz-Jacobsen, welche Auswirkungen wird das neue EU-Wahlrecht auf die Arbeit des künftigen Europaparlaments haben?

Cornelia Schmalz-Jacobsen: Die Frage ist im Moment natürlich schwer zu beantworten. Solange wir gar keine Möglichkeiten haben, festzustellen, wer tatsächlich von dem Wahlrecht Gebrauch macht, wäre jede Aussage darüber gewagt oder einfach falsch. Denn es wird ja viele geben, die dennoch die Kandidaten (ihres Heimatlandes) wählen. Langfristig allerdings wird das neue Recht auf jeden Fall von großer symbolischer Bedeutung sein, gar keine Frage.

Nun sind die Fraktionen im Europäischen Parlament sowieso supranational. Wenn sich Kandidaten fremder Herkunft, wie in unserer Partei beispielsweise der junge deutsch-griechische Kollege, der auf einem vorderen Listenplatz aufgestellt wurde, durchsetzen, wird in der Arbeit der einzelnen Fraktionen auch plastisch deutlich, daß Europa langsam aus der rein wirtschaftlichen Union heraustritt und mehr und mehr zu einer politischen und einer – besonders wünschenswerten – kulturellen Gemeinschaft wird.

Könnte durch die Präsenz solcher Parlamentarier im künftigen Europaparlament die Migrationsfrage stärker in den Mittelpunkt gerückt werden?

Ja, unbedingt. Wobei ich den Eindruck habe, daß das Europaparlament in dieser Hinsicht ohnehin sehr viel sensibler ist als einige der nationalen Parlamente. Ich könnte mir gut denken, daß der neue Typus von Abgeordneten Fragen der Einwanderung und Debatten über Migrationskonflikte stärker befördert.

Über die Neuregelung des Europawahl-Gesetzes ist kaum jemand richtig informiert. Die Informationskampagne ist auf Bundesebene noch gar nicht angelaufen. Hat sie jetzt noch Sinn?

Sicher. Zwei Monate ist zwar nicht sehr viel, aber es reicht noch aus, um für die Wahlen bei den Ausländern zu werben. Wir müssen eben powern. Es konnte ja vorher nichts passieren, weil der Bundestag, weniger der Bundesrat, spät dran war. Ich bin selbst Bundestagsabgeordnete. Im Parlament gab es Diskussionen um Detailfragen, wie das manchmal halt so ist. Grundsätzlichen Widerstand dagegen gab's jedoch nicht. Wir sind wegen anderer wichtiger Gesetzesvorlagen in Termindruck geraten, konnten aber sozusagen in letzter Minute, gerade noch rechtzeitig das neue Wahlrecht verabschieden. Darauf kommt es doch an.

Warum ist es so wichtig, an einer Wahl für ein Parlament teilzunehmen, dessen demokratische Einflußmöglichkeiten verschwindend gering sind?

Stimmt, dieses Gremium hat nicht sehr viele Kompetenzen. Aber es dient ob seiner Internationalität als Brücke zwischen den Ländern. Deswegen ist es wichtig, Verbundenheit mit der Idee, die es befördert, zu zeigen. Je weniger Ausländer aber an dieser Wahl teilnehmen, desto mehr Chancen bekommen rechtsradikale Gruppierungen. Der Prozentsatz rechtsradikaler Stimmen wird sich, wenn alle ausländischen Stimmberechtigten in Deutschland mitwählten und nicht in den Heimatländern, sicherlich verkleinern. Auch die Nichtwähler begünstigen im übrigen indirekt das rechtsextreme Lager. Das muß man bedenken. Außerdem ist es für jeden Ausländer ein gutes Gefühl der Gleichberechtigung, sich gemeinsam mit seinem deutschen Nachbarn in das gleiche Wahlbüro zu begeben.

Aber Ausländer wählen in ihrer Heimat oft genug auch rechtsradikal. Irgendwo in Deutschland ist ein Türke sogar „Republikaner“- Kandidat gewesen. Wählen Ausländer hier anders?

Davon bin ich überzeugt. Ihre Stimmen stärken eher die demokratischen Parteien CDU, CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/ Die Grünen. Welcher Migrant hätte ein Interesse, Parteien zu wählen, die sein Aufenthaltsrecht in Deutschland in Frage stellen? Diese Sorge ist nun wirklich unbegründet.

Wir haben elf Botschaften angeschrieben und gefragt, ob sie uns kurz mitteilen können, welche neuen Modalitäten in dem jeweiligen Land gelten und wie Ausländer dort wählen können. Nur fünf haben geantwortet. Den Rest haben wir noch mal angerufen: Zwei wußten halbwegs Auskunft zu geben, die anderen vier waren gar nicht informiert. Wie finden Sie das?

Peinlich, sehr peinlich. In meinem Umfeld aus interessierten Verwaltungsfachleuten und Politikern begegnen mir immer nur Leute, die sogar detaillierte Zahlen zu referieren wissen. Wie viele Wahlberechtigte gibt's in Hamburg? Welches Durchschnittsalter haben sie und so weiter.

Werben Sie in Ihrer Partei für die Europawahl auch in anderen Sprachen?

Demnächst, ja. Es werden in der Parteizentrale der FDP gerade eine große Menge Wahlkampfbroschüren in allen Sprachen der EU gedruckt und später an Ständen und Veranstaltungen verteilt.

Zum ersten Mal?

Selbstverständlich. Vorher war das ja nicht möglich.

Mit wem werben Sie?

Wir wenden uns unter dem Konterfei des Vorsitzenden und Außenministers Kinkel an die ausländischen EU-Wahlberechtigten. Interview: Franco Foraci

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