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Urteil vierundzwanzig Stunden nach der Tat

■ Justizsenatorin Peschel-Gutzeit erwägt Schnellverfahren, will Untersuchungshaft verlängern und befürwortet die Entkriminalisierung von Kleindelikten

Die ehemalige Hamburger und neue Berliner Justizsenatorin, Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD), erwägt, an einem der Amtsgerichte „in vermehrtem Umfang beschleunigte Verfahren“ einzuführen. „Heute zieht sich die Zeit zwischen Tat, Verhaftung, Verhandlung, Urteil und Strafantritt so hin, daß besonders junge Menschen gar keine Beziehung mehr zu ihrer Tat haben. Wir müssen die Verfahren straffen“, erklärte die Senatorin, die am 24. März ihr Amt antrat, in der Welt am Sonntag.

Verfahren müssen beschleunigt werden

Durch beschleunigte Verfahren könnten „Menschen, die auf frischer Tat ertappt werden, gegen die also die Beweismittel parat sind, innerhalb von 24 Stunden angeklagt und abgeurteilt werden. Das gilt natürlich nur für nicht allzu schwerwiegende Delikte.“ Die Strafprozeßordnung lasse die Möglichkeit der beschleunigten Verfahren schon jetzt zu. Bislang werde aber davon zurückhaltend Gebrauch gemacht, weil damit eine Einschränkung der Rechte des Angeklagten verbunden sein könne, meinte die Senatorin.

Als „politische Priorität“ bezeichnete die Nachfolgerin Jutta Limbachs die Bekämpfung und Aufklärung der Regierungskriminalität im Zusammenhang mit der deutschen Einheit. Dies dürfe nicht mehr „jahrelang dauern, sonst sind die Beschuldigten weggestorben“.

Handlungsbedarf sieht Frau Peschel-Gutzeit zudem auch für die Entkriminalisierung von Kleindelikten. So sei es „inzwischen völlig unverhältnismäßig“, daß „der teure und schwerfällige Justizapparat für Beförderungserschleichung“ in Gang gesetzt werde. Diese sollten als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Kleindiebstähle müßten dagegen weiter regulär verfolgt werden. „Über die Wiedereinführung des Mundraubes müssen wir neu nachdenken.“

Unverändert vorantreiben will die Justizsenatorin die Hamburger Bundesratsinitiative zur Verlängerung der zulässigen Untersuchungshaftdauer von sechs auf neun Monate bei Kapitalverbrechen. „Sonst wird eine erneute vorzeitige Entlassung dieser Tatverdächtigen nicht verhindert werden können“, warnte sie. dpa

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