: Die bayerische Hektik
■ Erster Kurde zieht gegen Ausweisungsbeschluß vor Gericht / Innerparteilicher Streit bei den Liberalen eskaliert
Berlin (taz/AFP) – In Bayern geht einer der drei Kurden, die ausgewiesen werden sollen, gerichtlich gegen diesen Bescheid vor. Der Sprecher des Münchner Innenministeriums, Christoph Hillenbrand, teilte gestern mit, daß der Mann, der sich an den Autobahnblockaden bei Augsburg Mitte März beteiligt haben soll, sich mit seinem Antrag gegen die Tatsache wehre, daß der bayerische Ausweisungsbeschluß mit einem Sofortvollzug versehen ist. Der Sofortvollzug bedeutet, daß die Ausweisung bei einer eigentlichen Klage gegen den Abschiebebescheid nicht aufgeschoben werde würde. Hillenbrand geht dennoch davon aus, daß die Voraussetzungen für eine Abschiebung „kurzfristig erfüllt sein könnten“. Wenn das Verwaltungsgericht Augsburg den Antrag des Kurden ablehne, „könne hier sofort vollzogen werden“, meinte er.
Die bayerische Hektik wird hingegen von anderen Bundesländern kritisiert. Der Sprecher des Innenministeriums in Nordrhein-Westfalen, Johannes Winkel, sagte zur taz, „für uns sind die Strafverfahren vorrangig“. Gegen 389 der 530 Kurden, die am 22. März die Autobahnen blockierten, seien entsprechende Verfahren eingeleitet worden. Erst wenn sich die Vorwürfe durch eine „Anklageerhebung verdichten sollten“, werde das Land prüfen, ob „Ausweisungsgründe“ vorliegen. Aber auch dann müßten die Abschiebungshindernisse geprüft werden. „Wir sehen die Eile, die Bayern an den Tag legt, nicht.“ Auch in der baden-württembergischen Landesregierung wurde betont, daß selbst, wenn die von Bayern geforderte Zusicherung vorläge, dies die Zweifel an der Menschenrechtslage in der Türkei nicht beseitigen könne. Ähnlich argumentieren auch Brandenburg und Hessen, beides Länder, in denen Mitte März Autobahnen blockiert wurden. Nur das von der CDU regierte Land Berlin scheint sich Bayern annähern zu wollen. Die Senatsinnenverwaltung prüft derzeit, ob drei Kurden, die wegen Ausschreitungen vor der Technischen Universität festgenommen worden waren und seitdem in Untersuchungshaft sitzen, noch vor der Eröffnung der Strafverfahren ausgewiesen werden können.
Derweil verschärft sich in der FDP der Streit um Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Ihre Position, gewalttätige kurdische Demonstranten nicht in die Türkei abzuschieben, solange ihnen dort auch nur die geringste Gefahr für Leib und Leben droht, wurde gestern von namhaften FDP-Politikern kritisiert. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Wolfgang Gerhard und der Rechtsexperte der Bundestagsfraktion, Burckhard Zurheide, betonten, daß es für Kurden, die sich in Deutschland an Gewalttaten beteiligt haben, keine Abschiebungshindernisse gebe. „Die Türkei hat die internationalen Abkommen gegen Folter und Todesstrafe unterzeichnet“, sagte Gerhard. Der innenpolitische Sprecher der Partei, Burckhard Hirsch, hingegen wirft der bayerischen Landesregierung vor, „auf dem Rücken der Kurden Wahlkampf zu betreiben“ und die Bemühungen des Bundesinnenministers Kanther zu unterlaufen, von der Türkei Zusagen über die Behandlung Abgeschobener zu erhalten. Grunsätzlich müßten die Voraussetzungen für Abschiebungen von Verwaltungsgerichten festgestellt werden, sagte er. aku
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