: Staatlicher Rauswurf für Gewalttäter
Niedersachsen will Männer, die Frauen und Kinder mißhandeln, aus der Wohnung weisen / Eine entsprechende Bundesratsinitiative wurde gestern in Hannover vorgestellt ■ Von Jürgen Voges
Hannover (taz) – Hinter verschlossenen Wohnungstüren prügelt es sich am ungeniertesten. Keiner sieht etwas, kaum jemand hört genauer hin. Wenn Frauen mitsamt ihren Kindern aus einer solchen Gewaltbeziehung ausbrechen wollten, blieb ihnen bislang nur der Weg ins Frauenhaus. Dies will das Land Niedersachsen nun ändern. Künftig sollen die Familiengerichte schlagende Männer einfach aus der gemeinsamen Wohnung weisen können. Mit Hilfe einer Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) soll Frauen künftig der Umzug ins Frauenhaus erspart bleiben. Dies will die niedersächsische Landesregierung über eine jetzt beschlossene Bundesratsinitiative erreichen, die eine Änderung des Paragraphen 1361 b des BGB zum Ziel hat.
„Opfer von Gewalttaten dürfen nicht ein zweites Mal zu Opfern werden. Die Frauen und ihre Kinder müssen Schutz in ihrer gewohnten Umgebung finden“, begründete die niedersächsische Justizministerin Heidi Alm-Merk gestern diese Bundesratsinitiative. Es sei ungerecht, daß mißhandelte Frauen bislang nach der Flucht vor ihren Männern in ein Frauenhaus ziehen mußten, während der Mann die bisherige gemeinsame Wohnung weiter für sich behielt.
Nach der jetzigen Rechtslage erhalten mißhandelte Frauen nur in den seltensten Fällen das Recht, die gemeinsame Wohnung allein zu bewohnen. Solange kein Scheidungsverfahren anhängig ist, können Familiengerichte die Ehewohnung nur dann einem der Ehegatten zuweisen, wenn dadurch eine „schwere Härte“ zu vermeiden ist. Nach Alm-Merks Ansicht hat sich in der Praxis der Gerichte gezeigt, daß diese Auslegung des Paragraphen 1361 b BGB zu unbestimmt ist, um die Interessen der Opfer von Männergewalt zu schützen.
Der Gesetzentwurf, den Niedersachsen demnächst in den Bundesrat einbringen wird, will nun die Zuweisung der bisherigen Wohnung an mißhandelte Frauen vereinfachen. „Mißhandlung oder Bedrohung eines Ehegatten oder die Gefährdung des Kindeswohls“ soll ausreichen, um die Wohnung den Opfern der Männergewalt zuzusprechen und damit die gewalttätigen Männer praktisch aus der Wohnung zu schmeißen. Da mittlerweile auch nichteheliche Lebensgemeinschaften immer größere Bedeutung gewinnen, soll die neue Regelung auch gelten, wenn die Partner nicht verheiratet sind.
Ministerin Alm-Merk begründete die Bundesratsinitiative gestern auch mit der zunehmenden Gewalt in den Familien. Frauen, die Opfer von Gewalttaten würden, müßten sich darauf verlassen können, daß der Staat für ihre Interessen eintrete, erklärte sie.
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