: Gerangel um die Mangelware Bonn-Ticket
■ In der CDU drängeln sich sechs Kandidaten um vier Fahrscheine in den Bundestag
Dirk Fischer legte sich mächtig ins Zeug: „Politisch Andersdenkende haben in Hamburg keine Chance,“ bimste der damalige CDU-Bürgermeisterkandidat Parteitagsdelegierten und Journalisten im vergangenen Sommer ein, „in verantwortlicher Stellung unser Staatswesen mitzugestalten.“ Wegen der Klüngelwirtschaft der SPD, versteht sich.
Am kommenden Sonnabend hat Fischer samt seiner zuletzt nicht gerade allzu erfolgreichen Partei Gelegenheit dazu vorzuführen, daß alles ganz anders und natürlich viel besser wäre in Hamburg, wenn nur die CDU .... Zwar geht es bei der Vertreterversammlung der Union nicht um die Besetzung von Staatsämtern, aber vier als sicher geltende Plätze im Bundestag samt dazugehöriger Diäten und schönen Abgeordneten-Reisen in die große weite Welt haben die rund 250 Christdemokraten zu vergeben.
Um die vier aussichtsreichen Positionen auf der Landesliste bewerben sich die Herren Rühe, Fischer, Uldall und Francke, sowie die Damen Schnieber-Jastram und Rahardt-Vahldieck. Und im Gegensatz zu seligen Echternach-Zeiten steht heutzutage nicht schon vor der Versammlung fest, wer gewählt wird. Jedenfalls nicht ganz.
Trotz verfassungsgerichtlich verordneter Demokratieanfälle gelten die ersten beide Plätze auf der Landesliste als vergeben. Auf Vorschlag des als „17er Wahlausschuß“ berüchtigten Funktionärskreises rangieren dort quasi unantastbar Verteidigungsminister Rühe und Parteichef Fischer.
Um die im Falle des erwarteten miesen Bundestagswahlergebnisses für die CDU letzten Freifahrscheine nach Bonn balgen sich die vier übrigen KandidatInnen. Vom 17er-Ausschuß auf Platz 3 gesetzt: Gunnar Uldall, braver Finanzfachmann in Bonn, Everybodys Darling in der Hamburger Partei ... und sonst? Es gibt Christdemokraten, die finden, daß für Liebling Uldall auch ein hinterer Listenplatz genügen sollte und den Wandsbeker Kandidaten Klaus Francke vom fünften auf den dritten Platz befördern wollen.
Bleibt Ticket Nummer vier. Richtig. Eine Frau muß her. Gesetzt ist die Bürgerschaftsabgeordnete und Rühe-Vertraute Birgit Schnieber. Sie gilt als relativ pflegeleicht und lange nicht so widerborstig wie ihre Konkurrentin Susanne Rahardt, Kandidatin der Jungen- und der Frauen-Union, entschiedene Streiterin gegen den Paragraphen 218 und andere alte CDU-Zöpfe.
Rahardt sitzt bereits in Bonn und treibt dort schon mal den Kanzler derart auf die Palme, daß dieser bei Fischer anfragen läßt, ob er denn seine Hamburger Abgeordneten nicht unter Kontrolle habe. Eine Andersdenkende, die in verantwortlicher Stellung unser Staatswesen mitgestalten soll. Sowas Lästiges. uex
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