■ Nach dem Präsidentenmord ist Ruandas Volk schutzlos: Krieg unter den Augen der UNO
Überraschen kann es niemanden, daß Ruanda nach der Ermordung Präsident Habyarimanas nun ins Chaos abgleitet. Seit 1990, als zuerst eine Guerillabewegung den Kampf gegen die Regierung aufnahm, herrscht bereits ein international wenig beachteter Bürgerkrieg, der auch durch das Friedensabkommen vom August 1993 nur scheinbar beendet wurde. Dabei hatte sich die UNO zu dem Kraftakt entschlossen, die Bildung einer gemeinsamen Armee und Regierung durch die beiden Konfliktparteien mit einer stattlichen multinationalen Blauhelmtruppe zu unterstützen. Aber der Friedensvertrag wurde nie in die Tat umgesetzt – auch auf Betreiben enger Vertrauter Präsident Habyarimanas.
Die UNO-Generäle hofften zwar auf Frieden, aber alle Beobachter inner- und außerhalb Ruandas warnten vor einem neuen Krieg. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisierte im Januar eine „massive“ Aufrüstung der ruandischen Armee durch Lieferungen aus Frankreich, Ägypten und Südafrika. Der ruandische UNO-Botschafter geißelte vor wenigen Wochen in Genf die „Selbstsucht“ der Politiker seines Landes, in dem selbst Massenmorde nicht bestraft würden. Das UNO-Welternährungsprogramm WFP warnte, die Lebensmittelknappheit habe aufgrund der Rückkehr vieler auf Frieden hoffender Exilanten „beispiellose Ausmaße“ erreicht. Sogar UNO-Generalsekretär Butros Ghali hat erklärt, die Ruanda-Blauhelme seien „minimal handlungsfähig“. Vier Kritiken – und vier Zutaten für einen mörderischen Vernichtungskampf. Die Reaktion? Viermal Schweigen.
Wie kann, angesichts der düsteren Beispiele mehrfacher Massenmorde im benachbarten und gleich strukturierten Burundi, eine solche internationale Untätigkeit jetzt noch gerechtfertigt werden? Zu Beginn des Guerillakrieges vor dreieinhalb Jahren hatten noch Frankreich und Belgien Soldaten geschickt, um Landsleute zu evakuieren und nebenbei noch schnell Ruandas Regierung vor dem Sturz zu retten. Heute wird in Brüssel bedauernd erklärt, es gebe ja schon die UNO-Soldaten, und da eine Regierung in Ruanda nicht mehr ausmachbar sei, die ein zusätzliches Eingreifen anfordern könnte, sei eine weitere Intervention nicht angebracht. Als ob Ruanda nicht auch ein Volk hat, das Schutz vor Verbrechern verdient. Dominic Johnson
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