: Förderung kein disponibler Luxus
■ Ganze Breite aktueller Strömungen: Hamburg Stipendiaten zeigen ihre Werke auf Kampnagel
Alljährlich läßt eine andere Jury ihren Suchscheinwerfer über die hiesige Künstlerszene gleiten und ermöglicht mit ihrem Votum zehn Künstlern für ein Jahr ein Grundgehalt. Bei der Auswahl für das Stipendium hatte es einige Aufregung gegeben, doch einseitig war sie nicht. Die jetzige Ausstellung der Stipendiaten 1993 zeigt das Spektrum aktueller Kunstpositionen in ganzer Breite. Als Novität ist ein Designer dabei: Martin Woltermann zeigt den „Bankwurm“, seine „Bankverbindung“ und eine originelle Steckvase, alles mit einigem Witz gestaltete, aber durchaus postmodern-gewöhnliche Möbel.
Aufwendiges Design, das aber als Gedankenobjekt durchaus Kunst ist, bestimmt auch Uwe Rahenkamps Bewegungs-Plastiken und seine aus Bronze, Titan und Platin gefeilten Entenfigürchen. Die hier mitschwingende Ironieebene ist bei den Gemälden von Inge Pries ein zentrales Anliegen. In der Tradition allegorischer Sinn-erzeugung, wie etwa der niederländischen Manieristen Bosch und Breughel, überzeichnet sie Personentypen bis zur Kenntlichkeit. Obwohl allesamt „ohne Titel“ fällt ein solcher zur Beschreibung leicht ein: „Honigfrau“ oder „Einmachtante“ wären mögliche Namen.
Welche Positionen Claudia Pegel mit ihren kleinen, mal realistisch abbildenden, mal wolkig verschwommenen Malereizitaten eigentlich beziehen will, wird in der hier gezeigten Auswahl nicht klar. Jochen Twelkers großformatige Bilder von raumerzeugenden Fliesungen stehen an der Grenze zwischen Illusion und konkreter Farbkunst. Die Bodenmuster, die Mariella Mosler in tagelanger Arbeit aus Sand aufschüttet, verbinden die orientalische, meditative Ornamenttradition mit einem anderen, verlangsamten Zeitbegriff. Dem Blick des Betrachters wird der Fluchtpunkt genommen, bis sich die Arbeit selbst nach einiger Zeit auflöst. Zurück bleibt nur eine Fotodokumentation.
Noch flüchtiger sind die sichtbaren Effekte der Arbeiten von Thomas Stordel: Physikalische Prozesse manifestieren sich in farbigen Dämpfen und entschwinden. Mit verschiedenen Gasen arbeitet auch Andreas Oldörp. Seine Glasröhren erzeugen durch Flammen oder Orgelpfeifen eine Sphärenmusik, die zusätzlich zu den aufwendigen Objektinstallationen jeden Raum auch akustisch besetzen und verändern.
Für den Bereich der stärker sozial interessierten Künste stehen die Konzeptualistin und Fotokünstlerin Cathy Skene und der Performer Manuel Zonuzi, der sich als Fotopappkamerad und mit fliegenden Hirschgeweihen in seinen Videos als Unterhaltungskünstler gibt. Anläßlich der Ausstellung gab es Gelegenheit zur politischen Wertung. Das seit 13 Jahren bestehende Hamburger Arbeitsstipendium darf wohl als ein in diesem Umfang einzigartiges und erfolgreiches Modell betrachtet werden, aber angesichts aktueller Etatkürzungen wird das Umfeld für die bildenden Künste doch ungemütlicher. Der Edwin Scharff-Preis, Hamburgs höchstdotierte Spitzenförderung im Kunstbereich, wurde 1992 und 1993 ausgesetzt, dennoch bemüht sich die Senatorin redlich zu behaupten, Künstlerförderung sei kein disponibler Luxus. Am Ende gleichen sich die Forderungen an die nur noch imaginär verortete Gesellschaft an: Künstlern und Kunstpolitiker üben sich im Wünschen und Hoffen. Hajo Schiff
K3 auf Kampnagel, Di-So 16-20 Uhr, bis 1. Mai, Katalog: 20 Mark
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