: Lieber gemein als allein
■ betr.: „Ernst nehmen, was in Ita lien läuft!“, taz vom 5.4.94
Leben und sterben lassen? Nö! Das war oller Nachkriegs-Liberalismus. Jetzt woll'n wir exclusiv wieder bissel Elend verteilen!
Ab mit Schaden: Die Cliquen in die Clubzonen, die Loser in den Jurrasic-Park. Fröhlicher Street- Imperialismus: Die Ausgelutschten werden selbst exclusiv-uniform, Krawatte, Skin, Tattoo. Da wird's gemütlich in der Kompression von Gemeinschaft. Was Selbstbestimmung!? Lieber gemein als allein.
Separatisten, Nationalisten, Mafiosi, Asylhetzer, Beutelschneider der Wohlfahrt: sie treiben verantwortungsvoll auf dem Elend, in das sie den Rest zu drücken versprechen. Ist's auch hart, man bleibt smart. Das fasziniert an Faschisten.
Raus aus den Kinderhöllen, den Alten zu gefallen. Nach oben, Ihr Überlebensexperten: Vertrauensposten der freien Wahl; baut sie aus zu Zwingburgen eurer geschlossenen Gesellschaft!
Nichts fehlt mehr zur Wolfsschanze der nächsten Verrichtung als der Impuls, Gemeinheit auch managen, Macht auch ergreifen zu wollen. Klaus Wachowski, Alzey
Die Europa-„Einigungsbestrebungen“ einschließlich der Maastrichter Verträge haben keineswegs zur Vereinigung der europäischen Völker geführt. Im Gegenteil: Geschaffen wurde lediglich die Arena der „Festung Europa“, in der die mächtigsten Konzerne erneut um die Vorherrschaft kämpfen, und die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegensätze werden auch innerhalb Europas auf die Spitze getrieben. Unter dem Druck der Weltrezession und dem Handelskrieg mit den USA und Japan brechen auch die traditionellen Konflikte zwischen den europäischen Mächten wieder auf. Nicht das „Gemeinsame Haus Europa“, das Gorbatschow bis zum Erbrechen als geflügeltes Wort propagierte, ist das Ergebnis einer so weiterlaufenden Entwicklung, sondern eine „Bauruine Europa“ und ein „Gemeinsames Schlachthaus Europa“.
Auf der Rechten schüren Demagogen dumpfe Ängste vor Fremden und schieben die Verantwortung für die wachsende Armut den noch Ärmeren im Süden und Osten Europas zu. Auf der Linken wird als Gegenmodell zur Europäischen Union ein Europa der Regionen angepriesen. Diese Programme sind trotz aller Versuche antikapitalistischer Rhetorik reaktionär. Regionen würden um die Gunst der transnationalen Konzerne konkurrieren, und deren Macht würde nicht geschwächt, sondern gestärkt. Sowohl die Europäische Union als Instrument der Banken und Monopole wie auch eine Aufsplitterung Europas im Namen nationaler und regionaler Interessen sind rigoros abzulehnen, weil sie für die menschliche Gemeinschaft zutiefst zerstörerisch sind.
Der Zusammenschluß Europas ist, nicht zuletzt auch wegen der engen wirtschaftlichen Verflechtung, eine unentbehrliche Voraussetzung für jeden gesellschaftlichen Fortschritt. Die Beseitigung der europäischen Staatsgrenzen, die Überwindung der Zersplitterung des Kontinents ist die ureigenste Aufgabe der Arbeiterklasse. Das Bürgertum ist aufgrund seiner privateigentümlerischen Bindung an den Nationalstaat dazu unfähig. Die Schlußfolgerungen, die Werner Raith zieht, angesichts einer Gefahr der faschistischen Machtergreifung in Italien und für Europa, erscheinen mir hinsichtlich der dann stattfindenden innerstaatlichen Unterdrückungspolitik und außenpolitischen Abenteuer besonders für den hierfür aktuell offenen Balkankrieg sehr naheliegend und plausibel. Mit Sicherheit muß hier von uns aus mehr und anderes geschehen als österlich pazifistisch, in abnehmender Teilnehmerzahl, spazierenzugehen. Bodo Friesecke, Berlin
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