: Rotgrau schön schöngefärbt
■ Hamburgs Senat verfehlt sein Sparziel für 1994 / Finanzsenator Runde behauptet aber dennoch, daß er es erreicht hat Von Uli Exner
Ortwin Runde, Neu-Finanzsenator mit leichtem Hang zu Euphemismen, war richtig stolz: Der „Senat hat sein Einsparziel von 300 Millionen im Haushalt 1994 erreicht,“ triumphierte der SPD-Politiker: „Die Umstellung der Spar-Methodik von den Giftlisten des Finanzsenators zur Eigenverantwortung der einzelnen Ressorts hat sich bewährt“.
Runde, seit Dezember Hamburger Sparkommissar, hatte nach eigenen Angaben „ein hartes Stück Arbeit“ hinter sich, als er gestern im Rathaus die letzten Sparvorschläge des Senats für den Haushalt 1994 vorstellte. Statt, wie unter Vorgänger Curilla üblich, die Sparmaßnahmen von oben (“Giftliste“) zu verordnen, hatte er seine Kollegen zu eigenen Vorschlägen getrieben. Allerdings nicht ganz so erfolgreich, wie er den Journalisten gestern weismachen wollte.
Schönfärberei Nummer eins: Statt der im Kooperationsvertrag zwischen SPD und Statt Partei festgelegten 200 Millionen Mark Einsparungen im Investitionshaushalt für 1994 summieren sich die Vorschläge der SenatskollegInnen nur auf 122,6 Millionen Mark. Da dies angesichts der rotgrauen Versprechungen nicht besonders gut ausgesehen hätte, addierten Rundes Finanzjongleure eben noch mal 91 Millionen Mark sogenannter Verpflichtungsermächtigungen dazu, um auf die angepeilten 200 Millionen Mark zu kommen. Kleiner Schönheitsfehler: Die Verpflichtungsermächtigungen werden frühestens 1995 kassenwirksam. Die Anrechung auf 1994 ist ein netter Trick, mehr nicht.
Schönfärberei Nummer zwei: Im sogenannten Betriebshaushalt (laufende, insbesondere Personalkosten) hatten sich SPD und Statt Partei auf zusätzliche Einsparungen von 100 Millionen Mark für 1994 festgelegt. Die Statt Partei hatte diese Zusatz-Einsparungen gegenüber ihren Mitgliedern als einen ihrer „wichtigsten Erfolge“ ausgegeben. Pustekuchen. Rundes gestern vorgestellte „Sparerfolge“ summieren sich auf 25 Millionen Mark. Die fehlenden 75 Millionen holt Runde durch gekonnten Rückgriff auf eine Entscheidung des alten SPD-Senats aus dem November aufs Papier. Damals hatte Wolfgang Curilla eine Minderausgabe von 75 Millionen verfügt, allerdings nicht auf Druck der Statt Partei, sondern aufgrund einer neuen Steuerschätzung, nach der Hamburgs Einnahme-Erwartungen für 1994 deutlich nach unten korrigiert werden mußten.
Also, alles halb so schlimm? Der fürsorgliche Senat sorgt schon dafür, daß der „Volkssport Sparen“ (O-Ton Runde) nicht allzu eifrig betrieben werden muß, daß es gar nicht zum allgemeinen „Heulen und Zähneklappern“ (O-Ton Voscherau) kommt? Weit gefehlt, auch ein noch so gut verkaufter Senatsbeschluß schließt nicht das dicke Defizit der Stadtkasse. 900 Millionen Mark Miese stehen im Betriebshaushalt für 1994 weiterhin zu Buche. Um sie auszugleichen, muß der Senat in diesem Jahr seine Rücklagen vollständig aufbrauchen und steht dann 1995 mit leeren Taschen da. Problem: Für das kommende Jahr wird ein Defizit von 1,5 bis 2 Milliarden Mark erwartet. Dies, da ließ Runde gestern keinen Zweifel aufkommen, wird weder mit dann unausweichlichen heftigen Spartrainingseinheiten noch mit netten Pressekonferenzen zu überbrücken sein, sondern nur durch den Verkauf städtischer Grundstücke und Unternehmen.
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