: Abschied vom Status quo
■ Rechnungshof weist den Sparkurs / Stellenabbau, größere Klassen, weniger Kredite Von Uli Exner
Fraktur: Personalabbau im öffentlichen Dienst, Erhöhung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl der Lehrer, mehr Schüler in einer Klasse, mehr Kids in einer Kindergartengruppe, weniger Kredite im Haushalt, schließlich - ran an die heilige Kuh - niedrigere Beamtenbesoldungen. Aussichten auf das, was auf die Hamburger angesichts leerer Staatskassen zukommt - wenn es nach dem Landesrechnungshof geht.
Hermann Granzow präsentierte sich bei der Vorlage seines Jahresberichts 1993 gestern nicht als oberster Kassenprüfer, der akri-bisch Verschwendung von Steuergeldern in der Vergangenheit nachweist. Der ambitionierte Rechnungshofchef zeigte sich als Spar-Visionär und kündigte einen Wechsel des Rollenverständnisses seiner Behörde an: „Neben die Aufgabe des Nachrechnens und Prüfens abgeschlossener oder auch laufender Vorgänge tritt verstärkt die Funktion des in die Zukunft gerichteten Vorrechnens.“
Bei der Ankündigung beließ es Granzow nicht, er demonstrierte auch gleich, wie er sich jenes „Abschiednehmen vom Status quo“ vorstellt, das in den kommenden Jahren auf Hamburgs Bürger und Behörden zukommt.
Personalkosten
Bis zum Jahr 2005 rechnet Granzow mit einer Steigerung bei den Personalausgaben von 27 Prozent. Nicht zu finanzieren, sagt der Rechnungshofchef und prophezeit, daß „Jahresbezüge sicher nicht unkritisch weitergeführt werden können“. Gleiches gilt für die Versorgungsbezüge, die Hamburgs Pensionäre beziehen. Würden sie wie bisher weitergeführt, stiegen die Ausgaben der Hansestadt dafür bis zum Jahr 2005 um 500 Millionen Mark.
Stellenabbau
Generell geht der Rechnungshof davon aus, daß eine „Verminderung des Stellenbestandes“ der Stadt Hamburg - derzeit 103.000 - unumgänglich ist. Bei Beibehaltung der jetzigen Standards müßte die Zahl der Stellen dagegen ausgebaut werden. Zum Beispiel die der Lehrer.
Schule
Der Lehrerstellenbedarf an allgemeinbildenden Schulen bei unverändertem Standard steigt nach Granzows Rechnung wegen steigender Schülerzahlen bis zum Jahr 2000 um 1300 Stellen, bis zum Jahr 2005 um 2450 Stellen. Deren Finanzierung würde den Stadthaushalt jährlich mit 430 Millonen Mark belasten.
Zur Begrenzung der Kosten empfiehlt der Rechungshof Diskussionen über die Erhöhung der wöchentlichen Pflichtstunden um eine Stunde oder die Anhebung der Klassenfrequenzen sowie über die Aufhebung der Lernmittelfreiheit ab einer bestimmten Einkommensgrenze.
Kinderbetreuung
Wegen des Rechtsanspruchs auf einen Kindergarten müßte Hamburg bis 1997 insgesamt 285 Millionen Mark investieren, dazu kämen jährliche Mehrausgaben von 145 Millionen. Empfehlung des Rechnungshofs: Senkung dieser Kosten durch eine Anhebung der Gruppengrößen und eine bessere Auslastung der bestehenden Betreuungseinrichtungen.
Kredite
Heftige Kritik übt Granzow an der Schuldenpolitik des Senats, die dazu geführt habe, daß die Stadt heute jährlich 700 Millionen Mark Zinsen für bereits abgeschriebene oder gar nicht mehr vorhandene Vermögenswerte bezahlt. Beispiel: Kreditfinanzierte Polizeiautos, die bereits auf dem Schrott gelandet sind, für die aber immer noch Zinsen bezahlt werden.
Der Grund für die aberwitzige Ausgabe: Die Stadt tilgt seit Jahren keine Schulden mehr, bezahlt statt dessen lieber die Zinsen. Ein „Geschäft“, so Granzow, das sich „nur der Staat leisten kann, aber selbst er nicht auf Dauer.“
Etcetera
Zur Verbesserung der Einnahmen beziehungsweise Senkung der Ausgaben schlägt der Rechnungshof außerdem vor (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
– die Kosten für Fluglärm-Schutz zu überprüfen,
– Gebühren für ausgelösten Fehlalarm bei Polizei und Feuerwehr zu erheben,
– weniger Beamte in den vorzeitigen Ruhestand gehen zu lassen,
– den Energie- und Wasserverbrauch an den Schulen zu senken,
– Mängel bei der Gewährung und Verwendung staatlicher Zuwendungen abzustellen,
– das „großzügige Ausgabenverhalten“ der Hamburgischen Anstalt für neue Medien (HAM) zu hinterfragen.
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