: Angst vor einer „braunen RAF“
■ Innenbehörde legt Verfassungsschutzbericht vor / Senator Hackmann gegen Verbotsantrag gegen Republikaner Von Marco Carini
Die Gefahr kommt von rechts. Im gestern vorgestellten Hamburger Verfassungsschutzbericht 1993 stehen die Aktivitäten von Rechts-extremisten und Neonazis eindeutig im Vordergrund. Zwar ist die Zahl der organisierten Rechtsextremisten (rund 1400) und der diesem Spektrum zugeschriebenen Straftaten im vergangenen Jahr kaum gewachsen, doch der Verfassungsschutz macht einen eindeutigen Trend zu einer stärkeren Vernetzung der einzelnen Ultrarechts-Organisationen aus. Zudem warnt er vor einem organisierten „rechtsextremistischen Terrorismus“.
Nach Auffassung von Verfassungsschutz-Chef Ernst Uhrlau ist eine deutliche Tendenz erkennbar, daß die einst zersplitterten rechtsextremistischen Grüppchen und Organisationen in jüngster Zeit immer enger zusammenarbeiten und dabei neue Organisations- und Kommunikationsformen entwickeln. Über das in Hamburg ansässige „Deutsche Rechtsbüro“, die bundesweit agierende juristische Selbsthilfeeinrichtung der rechten Szene, aber auch über Info-Telefon-Bandansagen und Mailboxen fände eine zunehmende Vernetzung der „nationalen Kräfte“ statt.
Eine besondere Rolle spielt hierbei die vom Vize-Chef der Nationalen Liste (NL), Christian Worch, 1992 ins Leben gerufene „Anti-Antifa-Kampagne“. Durch sie sollen der Widerstand „gegen die militante Linke vereinheitlicht“ und „organisationsübergreifende Strukturen aufgebaut“ werden.
Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten stieg in der Hansestadt 1993 gegenüber dem Vorjahr nur leicht an - von 383 auf 397, wobei die Mehrzahl der Delikte im Gegensatz zu den vergangenen Jahren eine eindeutig „fremdenfeindliche Ausrichtung“ aufweist. Das größte Gewaltpotential des Rechtsextremismus bilden laut Verfassungsschutz nach wie vor militante Skinheads, deren Zahl allerdings bundesweit (von 6400 auf 5600) wie auch in Hamburg (von 120 auf ca. 100) im vergangenen Jahr leicht zurückging.
Doch die Hamburger Verfassungsschützer befürchten, daß durch die zunehmenden „Repressionsmaßnahmen des Staates“ gegen die rechte Szene „zur Militanz neigende Rechtsextremisten zu dem Ergebnis kommen, daß anstelle legaler politischer Arbeit nur noch Gewalt zur Durchsetzung der eigenen politischen Ziele möglich ist“. Es sei „nicht mehr auszuschließen“, daß zukünftig neben spontanen auch „geplante rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten“ an der Tagesordnung seien und gar eine „braune RAF“ entstehe.
Obwohl der Hamburger Verfassungsschutz - im Gegensatz zu anderen Bundesländern - die Republikaner als „rechtsextremistisch“ und „verfassungsfeindlich“ einstuft (taz berichtete), will Innensenator Hackmann sich nicht für ein Verbot der Schönhuber-Partei durch das Bundesverfassungsgericht einsetzen. Hackmann wörtlich: „Ich würde den Weg nach Karlsruhe nicht gehen“.
Ein Verbotsantrag, über den die Karlsruher Richter vor der Bundestagswahl im Oktober kaum entscheiden werden, würde der Rechts-Partei nur Publicity verschaffen. Zudem ist Hamburgs Innensenator „auch nicht hundertprozentig davon überzeugt, daß das Material für ein Verbot ausreicht“. Lehne das Verfassungsgericht einen Verbotsantrag aber ab, sei dies eine „schlimme Niederlage für die Demokratie“.
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